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Das neue Leben des Ralf Wohlleben

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Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hat NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben eine neue Heimat: das Dorf Bornitz in Sachsen-Anhalt. Dort blüht die rechtsextreme Szene – und verehrt den Terrorhelfer als Heldenfigur.

Von Henrik Merker

Das neue Leben des Ralf Wohlleben
Eine Haltestelle in Bornitz vor dem Hof des Neonazis Jens Bauer © Henrik Merker

Den Weg in das Dorf Bornitz säumen beschauliche Bauernhäuser, Felder, Wiesen. Ein Imker verkauft Honig im Ortskern und der Bäcker schließt schon um 10 Uhr morgens. Das Dorf war nie in den Schlagzeilen, nie berühmt für irgendwas. Normalerweise stören nur Lkw auf der Bundesstraße die Ruhe der Leute hier.

Doch jetzt scheint es mit der Stille vorbei zu sein. Über dem verwaisten Spielplatz surrt eine Kameradrohne, Reporter stehen auf dem einzigen Parkplatz des 500-Seelen-Ortes im Süden Sachsen-Anhalts. Das hat mit dem neuen Bewohner von Bornitz zu tun: Vor wenigen Wochen ist der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben hergezogen.

Neustart mit den rechten Kameraden

Der 43-Jährige, früher eine große Nummer in der rechtsextremen Partei NPD, kurvt jetzt mit einem in die Jahre gekommenen Firmenwagen durch den Ort. Auf der Heckscheibe steht „Autoglas Experten Zeitz“. Wohlleben hat einen Job.

Ralf Wohlleben betritt im Mai 2018 den Gerichtssaal in München © Tobias Hase/dpa

Es ist sein Neustart, nachdem er im November 2011 in Untersuchungshaft genommen und als Unterstützer im Münchner NSU-Prozess angeklagt wurde. Wohlleben hatte der Terrorgruppe durch einen Helfer die Pistole besorgt, mit der neun Menschen ausländischer Herkunft erschossen wurden. Im Juli wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und er die meiste Zeit bereits in der U-Haft abgesessen hatte, kam er kurz darauf frei. Bedingung war außerdem ein Arbeitsplatz – den kann er nun vorweisen.

Wohllebens Frau und die beiden Kinder sind schon vor Monaten in das Dorf hergezogen, berichten Nachbarn. Sie dürften willkommen gewesen sein: Unterschlupf fanden sie demnach bei einem Neonazi namens Jens Bauer. Bauer ist Eigentümer der Kfz-Werkstatt Autoglas Experten, auch der Firmenwagen gehört ihm. Er und Wohlleben kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in der NPD.

Regelmäßige Besuche im NSU-Prozess

Wer ist der Mann, der dem ungebrochen rechtsextremen Terrorhelfer wieder in ein bürgerliches Leben verhelfen will? Reporter von ZEIT ONLINE und dem MDR recherchieren vor Ort. Von den Nachbarn ist wenig zu erfahren. Nur Martha G., die eigentlich anders heißt, will reden. Sie erinnert sich, dass Bauer vor vier Jahren nach Bornitz zog. Seine Frau kaufte einen großen Vierseithof. Im Ort sei die Familie mit ihren vielen Kindern unauffällig, sagt Martha G., nur bei den letzten zwei Feuerwehrfesten seien sie dabei gewesen.

Auf dem Hof suhlen sich Schweine im Schlamm, Sonnenblumen trotzen der Sommerhitze. Am Hoftor bellt ein schwarzer Hund alles an, was sich bewegt. Was vor dem Grundstück passiert, filmen seit Kurzem zwei Überwachungskameras. Wer am Haus vorbeigeht, gerät in den Fokus der Bauers.

Bauer selbst wiederum war in den vergangenen fünf Jahren häufig in München zu sehen. Er reiste mehrfach zusammen mit Wohllebens Frau zum Prozess an. Die Gattin saß händchenhaltend mit Wohlleben auf der Anklagebank, Bauer winkte von der Zuschauertribüne aus in den Saal – zusammen mit einem Tross anderer Rechtsextremer.

Im Dorf tummeln sich Rechtsextreme

In der Szene ist er bestens vernetzt: Bauer war NPD-Funktionär in Magdeburg, zog sich nach internen Querelen 2008 zurück. 2016 übernahm er die Leitung des neuheidnischen Vereins Artgemeinschaft, der 1951 von einem SS-Mann gegründet worden war. Chef war zwischenzeitlich auch die NPD-Legende Jürgen Rieger. Die Gruppe begreift sich als nationalsozialistische Elite, hängt neogermanischen Bräuchen an und hält Treffen in Trachten ab. Das Emblem der Artgemeinschaft ist die Irminsul, die zuvor von der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe verwendet wurde, einer okkulten Gliederung der SS.

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Bauer und Wohlleben sind nicht die einzigen Szenegranden im Dorf. Das Tattoostudio Reinkaos hat im ebenfalls kameraüberwachten Gasthof seinen Sitz, am Klingelschild steht der Name Benjamin Schneider. Der Rechtsrocker betreibt das neonazistische Musiklabel SFH-Records im Nachbardorf Geußnitz.

Auf Kameradschaft legen sie viel Wert in rechtsextremen Kreisen. Als der NSU-Prozess noch lief, verkauften die Gesinnungsgenossen T-Shirts mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“, hielten aus Solidarität Konzerte und Demonstrationen ab. Die Unterstützter feilten an seinem Märtyrerimage als politischer Gefangener. Wie in der Vergangenheit wird er Kristallisationspunkt der Neonaziszene sein.

Hymne auf den Szene-Märtyrer

Als die Reporter gerade einpacken, biegt ein schwarzer Kombi in die Hauptstraße ein, Kaiserreichsflagge am Heck. Der Wagen hält haarscharf neben dem knienden Kameramann. Ein Mann um die 50, schwarze Sonne und Totenköpfe auf die Arme tätowiert, steigt aus. Es handelt sich um Maik B., eine weitere Figur aus dem Bekanntenkreis der Neonazis.

Das neue Leben des Ralf Wohlleben
Rechtsextremist B. verwickelt Reporter in ein Gespräch © Henrik Merker

Dass wir wegen Bauer hier seien, wisse er bereits, sagt er. Kurz zuvor hatten die Reporter versucht, mit Bauer in seiner Werkstatt zu sprechen. Nach zehn Minuten Wortwechsel steigt er wieder ein und fährt weg. Doch B. bleibt nicht immer friedlich. Bei einem Konzert soll er eine Flasche auf Beobachter geworfen haben. Er musste eine Geldstrafe zahlen. B. soll zum Umfeld einer Gruppe namens Kameradschaft Waffenbrüder gehören. Offiziell erwähnt wird der rechtsradikale Trupp nur in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Magdeburger Landtag. Der Verfassungsschutz hüllt sich in Schweigen.

Wie lebt es sich mit solchen Gestalten im Ort? In Bornitz gehen die Meinungen auseinander – einige haben Angst vor den Neonazis, andere wollen nur ihre Ruhe. „Mir doch egal, was die machen“, sagt ein Anwohner. Ähnlich sieht das Andreas Buchheim, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Elsteraue, zu der Bornitz gehört. „Solange die sich hier ruhig verhalten, sehe ich kein Problem“, sagt er. Vom Verfassungsschutz habe bisher niemand mit ihm über mögliche Gefahren gesprochen, sagt er. Auch das BKA habe ihn nicht informiert, dass ein NSU-Unterstützer in seine Gemeinde zieht, um Teil der völkischen Artgemeinschaft zu werden. Ob er deren Anführer Jens Bauer kenne? Zumindest nicht persönlich.

Das neue Leben des Ralf Wohlleben
Bürgermeister der Gemeinde Elsteraue, Andreas Buchheim © Henrik Merker

Das ist verwunderlich, denn die Rechten sind im Ort angekommen. Mit ihren Immobilien und Betrieben haben sie eine sprudelnde Einnahmequelle. Und mit Wohlleben eine Führungsfigur. Der Szene-Liedermacher Sebastian „Fylgien“ Döhring hat vor wenigen Tagen ein Lied für ihn veröffentlicht. Darin heißt es: „Doch nun bist du zurück, bist wieder hier und die Bewegung, sie steht treu zu dir – nun auf in die Schlacht, es ist noch nicht vorbei“. Gut möglich, dass die Rechtsextremen das wörtlich nehmen.

Bei seinem Besuch in Bornitz wurde das Journalistenteam auch von Rechtsextremist Jens Bauer verfolgt. Ergebnisse der gemeinsamen Recherche waren am 15.08.2018 um 20.15 Uhr im MDR-Magazin „Exakt“ zu sehen, der Beitrag ist hier eingebettet.

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Polizeieskorte für Neonazi?

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Rund 500 Neonazis haben in Berlin des Kriegsverbrechers Rudolf Heß gedacht. Auf der Demonstration kam es zu Gewalt. Für Irritationen sorgte eine Aktion der Polizei.

Von Henrik Merker

Ein Demonstrationsteilnehmer im Hitler-Look © Henrik Merker

In brennender Hitze stehen 50 Herren in weißen Hemden im Berliner Randbezirk Spandau. Sie sind einer groß angekündigten Demonstration der NPD gefolgt, die seit Monaten für das unter Rechtsextremen historische Gedenken geworben hatte: den Aufmarsch zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. 500 Neonazis sollten anreisen.

Im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis hatte sich Heß 1987 im Alter von 93 Jahren das Leben genommen. Unter Neonazis gilt er als erfolgloser Friedensstifter, Heldenfigur der Geschichtsklitterung. Und nun das: ein Aufmarsch mit gerade einmal 50 Teilnehmern?

Hakenkreuze an Flüchtlingsunterkunft

Hakenkreuz an Spandauer Flüchtlingsunterkunft © Henrik Merker

Das Kriegsverbrechergefängnis wurde nach dem Selbstmord abgerissen, heute steht dort ein Supermarkt. Im vergangenen Jahr legten die Rechten einen Gedenkkranz vor dem Geschäft ab, dieses Jahr dürfen sie nicht an dem symbolträchtigen Ort vorbeimarschieren – eine Auflage der Stadt. Auch ihre beliebten Symbole dürfen sie nicht zeigen, das Konterfei von Heß etwa. Die Ewiggestrigen wissen sich trotzdem bemerkbar zu machen: An die nahe gelegene Flüchtlingsunterkunft haben sie zwei Hakenkreuze geschmiert.

Kurz nach Mittag wird klar: Die 50 Demonstranten sind ein Täuschungsmanöver. Der Marsch durch Spandau ist längst abgeblasen, stattdessen hat die NPD schon Tage zuvor eine zweite Route angemeldet. Quer durch den alternativ geprägten Stadtteil Friedrichshain soll die Demo gehen, bis an den östlichen Rand von Berlin.

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Und da sind sie: 500 Rechtsextreme haben sich vom Alexanderplatz auf den Weg zur Landsberger Allee gemacht. Mit ihnen die Polizei, die vorbereitet ist und die Route abgesperrt hat. Mehrere Hundertschaften sind im Einsatz.

Flaschen und Steine fliegen

Einige Tausend Berliner stellen sich dem rechten Marsch entgegen, auch sie hatten sich zunächst auf den Marsch in Spandau eingestellt. Trotz reichlich Polizeischutz kommt es zu Angriffen. Neonazis brechen aus dem Demonstrationszug aus, schlagen auf Protestierende ein. Aus dem Protest fliegen Flaschen und zwei Pflastersteine – einer trifft das Dach eines Polizeiwagens, der zweite landet auf der Straße. Polizisten schlagen einen Reporter und bringen ihn zu Boden, weil sie vermuten, er habe eine Flasche geworfen. Ein Fehler. Bis zum Ende der Demonstration kommt es immer wieder zu Pöbeleien.

Der Holocaustleugner Dennis Ingo Schulz wird zum Sammelpunkt Spandau gefahren © Henrik Merker

Für Irritationen sorgt, dass der verurteilte Holocaustleugner Dennis Ingo Schulz in einem Polizeifahrzeug zum Aufmarschort in Spandau gefahren wurde. Wieso wird ein einzelner Teilnehmer chauffiert? Die Polizisten vor Ort verweigern die Auskunft. Auf Twitter schreibt die Berliner Polizei, Schulz sei zur Personalienfeststellung mitgenommen worden – was dem Reichsbürger vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Bis zum Ende nimmt er an der Demonstration teil.

Berliner Politiker zeigen sich erschüttert. „Waschechte Nazis werden von Spandau nach Mitte begleitet und dann durch die halbe Stadt eskortiert. Wie soll man das Opfern von Nazi-Gewalt erklären?“, fragt der Linke-Politiker Tim Fleischer auf Twitter.

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Gewalt gegen Journalisten auf Identitärer Veranstaltung

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Hutbürger mit Fahne © Henrik Merker

„Verpisst euch! Eure Arbeit ist jetzt zu Ende!“, so sind Journalisten bei einer Veranstaltung der Identitären in Dresden angegangen worden – von deren Ordnern. Die Rechtsextremen wollten mit der Veranstaltung ihr Image aufpolieren und gleichzeitig mit dem Eintrittsgeld von 25 bis 55 Euro viel Geld verdienen. Beides ist wohl gescheitert.

Selbstbild der Identitären bröckelt

Die Identitären hatten unter dem Slogan „Europa Nostra“ nach Dresden geladen. Die völkische Gruppe erreichte ihre Anhängerschaft bislang über Facebook, Twitter und Instagram. Doch vor Kurzem wurden alle wichtigen Accounts gesperrt, die PR-Maschine stockt. Auch deshalb sucht man sich nun Verbündete. So war der rechtsextreme Youtuber und IB’ler Alexander „Malenki“ Kleine am vergangenen Montag als Redner bei Pegida aufgetreten. Lutz Bachmann forderte daraufhin die 500 Demonstranten auf, seine Freunde bei den Identitären zu besuchen. Was vor allem zur Folge hatte, dass die sich jugendlich gebende IB ihren Altersschnitt bei der Veranstaltung in Dresden auf knapp 50 erhöhte. Bachmann kündigte an, selber teilzunehmen – und schickte am Ende doch nur Siegfried Däbritz, seinen Stellvertreter.

Dass sich die IB ausgerechnet Dresden für ihre Veranstaltung ausgesucht hat, erklärt der Grünen-Politiker Jürgen Kasek so: „Halle und Dresden sind neben Berlin ihre Zentren. Dresden selbst hat als ‚Hauptstadt des Widerstands‘ für die Szene eine herausragende Bedeutung.“ Was auch der Beiname zeigt, den Pegida und AfD der Stadt verpasst haben.

Däbritz (m, Pegida) bei Identitären © Henrik Merker

Doch das Bild, das die IB in Dresden abgab, war nicht herausragend. Schon zu Beginn ihres Festes, das eher an eine Messe erinnerte, griffen IB’ler zu Waffen. Ein minderjähriger Ordner trug gepanzerte Handschuhe und Pfefferspray, beides ist auf öffentlichen Versammlungen verboten. Die Polizei führte ihn ab und beschlagnahmte die Gegenstände.

Nur wenig später wollten Reporter das Gelände auf der zweieinhalb Hektar großen Cockerwiese betreten. Das dürfen sie, „Europa Nostra“ war als öffentliche Versammlung angemeldet und damit jedem zugänglich. Als die begleitenden Polizisten den Eingang passiert hatten, drängten die Ordner auf die Reporter los, schlugen zu, beleidigten und versuchten, sie vom Gelände zu schubsen. Erst als die Beamten einschritten, endete der Angriff. Ein Ordner erklärte hinterher, man habe nicht gewusst, dass Reporter das Gelände betreten dürften.

Auch die Infostände konnten das Bild nicht retten. Einer davon gehörte zum IB-Projekt Aha. Dessen Ziel ist es nach eigener Aussage, dass Identitäre Geld an Familien in Syrien und im Libanon spenden, damit diese nicht flüchten. Man habe bereits 4.000 Euro an zehn Familien übergeben, behauptet Aha. Eine BBC-Reporterin hat die Behauptungen recherchiert und herausgefunden, dass bei mindestens einer der Familien kein Cent angekommen ist. Projektsprecher Sven Engeser antwortete ihr ausweichend, die Familien kenne man nicht alle persönlich.

Identitären-Bierstand am Hooligantreff © Henrik Merker

Das absolute Alkoholverbot der Versammlungsbehörde umgingen die Identitären, mit freundlicher Unterstützung eines berüchtigten Treffs für rechte Hooligans: Acki’s Sportsbar in der Nähe vom Dynamo-Stadion. Dort wurde eigenes Bier der Rechtsextremen unter dem Namen Pils Identitär ausgeschenkt, das auf deren Website für 45 Euro pro Kasten verkauft wird. Auch Ordner der Identitären schenkten sich ordentlich ein.

Organisierter Angriff auf Journalisten

Wenig später folgte der nächste Angriff, der auch in sozialen Medien für Aufsehen sorgte. Reporter hatten einen Redner fotografiert, woraufhin sie erneut von den Ordnern angegangen wurden. Die drängten mindestens sechs Reporter zusammen, schlugen gegen deren Kameras. „Ihr geht jetzt nach Hause!“, brüllte einer der Rechten. Es kam zum Handgemenge, Identitäre umstellten die Journalisten, fotografierten und filmten deren Gesichter und schubsten weiter. Polizisten drängten sich dazwischen, stellten sich schützend um die Reporter und schoben die 15 Angreifer zurück. Kurz darauf wurden mehrere Ordner und Alexander „Malenki“ Kleine abgeführt. Der Identitären-Youtuber sei am Angriff federführend beteiligt gewesen, berichten Betroffene.

Die Vorfälle passen ins Bild – Identitäre sind sehr viel weniger friedvoll, als sie selbst von sich behaupten. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben Identitäre in den vergangenen 16 Monaten insgesamt 114 Straftaten begangen, wie das Ministerium auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei-Abgeordneten Martina Renner mitteilte.

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Völkische PR-Veranstaltung wird zum Desaster

Die Identitären hatten bei ihrer Großveranstaltung mit mehr als 800 Gästen gerechnet, es waren höchstens 500. Die Gruppe hat mit dem Verlust ihrer Social-Media-Profile auch den Großteil ihrer Außenwirkung eingebüßt. Und selbst die Führungspersonen der autoritären Kaderorganisation können sich auf ihre Gefolgsleute nicht mehr verlassen. Trotz interner Anordnung des Veranstalters Daniel Fiß, friedlich zu bleiben, griff ein Teil der Ordner Reporter an.

Bereits bei der Demonstration im vergangenen Jahr in Berlin zeigte sich: Es braucht nicht viel, dass die Völkischen auf ihre Gegner losgehen. Damals kam es nach einer Sitzblockade zur Schlägerei, die Rechten griffen Polizisten und Reporter an, wollten eine Polizeiabsperrung durchbrechen. Auch damals war Alexander Kleine vorn dabei.

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Wie die AfD in Chemnitz mitmischte

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In Chemnitz tobten am Sonntag und Montag die Neonazis. Bei einem angeblichen Trauermarsch ließen mehrere rechtsextreme Gruppen die Situation eskalieren – die schärfste Rhetorik kam von der AfD.

Von Henrik Merker

Wie die AfD in Chemnitz mitmischte
Demonstranten und Polizisten beim Chemnitzer Aufmarsch am Sonntag © Henrik Merker

Es war eine Eskalation mit Ansage: Durch Chemnitz marschierte am Sonntag- und Montagabend ein rechtsradikaler Mob. Am zweiten Tag hatte die deutsche Rechte innerhalb weniger Stunden mehrere Tausend Menschen auf die Straße gebracht, unter ihnen gewaltsuchende Hooligans und Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet.

Was als spontan angesetzte Demo daherkam, war tatsächlich ein sorgfältig orchestriertes Zusammenspiel mehrerer rechtsgerichteter Gruppen – einschließlich der AfD. Ein Überblick der wichtigsten Akteure:

Pro Chemnitz

Die rechtspopulistische Wählervereinigung Pro Chemnitz hatte für Montagabend zu der Veranstaltung geladen, bei der vorgeblich des Opfers eines Messerangriffs gedacht werden sollte. Im Facebook-Aufruf voller Rechtschreibfehler fordert die Gruppe Sicherheit durch Veränderung „eine Politik des hinsehen und handeln“. Doch in Kommentaren tauschen sich Nutzer nach kurzer Zeit darüber aus, wer am Montag welche Waffen mitbringt.

Pro Chemnitz wird vom Verfassungsschutz als nicht demokratiefeindlich bezeichnet und sitzt seit 2009 mit drei Abgeordneten im Stadtrat. 2014 kandidierte ein Mitglied der verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz auf der Proliste für ein Stadtratsmandat. Die Gruppe, die sich gern als Bürgerbewegung sieht, wurde von einem Ex-CDU-Mann und einem ehemaligen Republikaner gegründet – Reinhold Breede und Martin Kohlmann.

Kohlmann ist Anwalt – und kennt das Milieu, das sich um ihn schart. Lange Jahre war er bei den Republikanern, organisierte 2004 ein Konzert mit dem NPD-Liedermacher Frank Rennicke. Zuletzt verteidigte Kohlmann vor Gericht die Freitaler Terrorgruppe, hielt ein umstrittenes Plädoyer und störte die Urteilsverkündung mit unzulässigen Anträgen.

Kaotic Chemnitz

Schon am Sonntag war die Situation in der Stadt eskaliert. Die sächsische Landesregierung hätte da schon um das Gewaltpotenzial des folgenden Tages wissen können – der Verfassungsschutz jedenfalls hatte es erkannt.

Am Sonntag war es die rechtsextreme Hooligangruppe Kaotic Chemnitz, die zu der Großdemonstration am Marx-Denkmal aufrief. Den Hooligans folgten gewaltbereite Neonazis aus der Region. Schon da schätzten Beobachter, dass mindestens 1.000 marodierende Rechtsextreme durch die Stadt zogen. Die Kaotic-Gruppe entstand aus der Schlägertruppe NS-Boys, einer offiziell aufgelösten Vereinigung, die weiterhin inoffiziell existiert. Deren Mitglieder pflegten Verbindungen zum Netzwerk der Terrorgruppe NSU, wie im Münchner NSU-Prozess bekannt wurde.

AfD

AfD-Politiker heizten die Stimmung im Netz an – und selbst nach den pogromartigen Ausschreitungen macht die Partei weiter. Ralph Weber, Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, forderte auf seiner Facebook-Seite, Deutschland müsse „nun erwachen“ – das schrieb er, nachdem am Sonntag vermeintliche Ausländer und Linke durch die Stadt gejagt wurden. Man müsse sich gegen „die verteidigen, die hier nicht hingehören“.

Auch die AfD-Ortsgruppe beteiligte sich am Aufruf für die Demonstration am Montag. Thomas Dietz, Abgeordneter im Erzgebirgskreis, nennt die Menschenjagden vom Sonntag eine „Spontandemo der Trauernden und Wütenden“ – ein Narrativ, das andere Teile der Partei weiterspinnen. Die Fraktion im hessischen Hochtaunuskreis sehnt sich sogar eine Revolution herbei und zieht Vergleiche zur Wendezeit 1989: „Auch damals wurde eine (…) von der Substanz lebende und ihre Bürger rücksichtslos drangsalierende Regierung von Demonstrationen des Volkes aus dem Amt gejagt“, heißt es.

An die Presse gerichtet schreibt der Verband: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt ist es zu spät!“ Später änderte die Partei den Text.

Screenshot

NPD

Die NPD trug am Montag alte Wahlplakate zur Schau. Wie bereits bei früheren Veranstaltungen im Erzgebirge hatte die Neonazipartei ihre Logos abgeschnitten – um bürgerlicher zu wirken. Die Rechtsextremen hatten auch via Social Media bundesweit zur Teilnahme aufgerufen – zuletzt hatte sie in Berlin mit ihrem martialischen Heß-Marsch schon einen Erfolg gefeiert. Mit dem Freigeist e.V. hat der NPD-Kreisrat Stefan Hartung in der Region einen Tarnverein gegründet, der bereits am vorigen Wochenende vor dem Karl-Marx-Monument mit Holocaustleugnern und einer Volkstanzgruppe demonstrierte.

III-Weg

Die neonazistische Kleinstpartei marschierte in Parteiuniformen in der ersten Reihe auf. Bei ihnen war auch der frühere NPD-Politiker Michel Fischer aus Thüringen, der zum rechten Hooliganmilieu gehört. Die Partei hatte auf ihrer Website zur Teilnahme mobilisiert und einen Liveticker geschaltet. Darin werden Drohungen gegen Journalisten gefeiert.

Die extreme Rechte hat in den letzten Tagen gezeigt, dass sie spontanen Zorn innerhalb weniger Stunden in Gewalt auf der Straße verwandeln kann, sodass eine ganze Landesregierung kurzzeitig kapituliert. AfD, Pro Chemnitz und Pegida rufen für die nächsten Tage zu weiteren Demonstrationen „ähnlicher Größenordnung“ auf – weil Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in die Stadt kommt.

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Traum von der rechten Revolution

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Seit vergangenem Sonntag zieht es rechte Gruppen nach Chemnitz, sie wittern ihre Chance zum großen Aufstand. Wer sind die Akteure – und welche Ideologie treibt sie an?

Von Henrik Merker

Teilnehmer des Neonaziaufmarsches am Sonntag © Matthias Rietschel/Reuters

In den Medien ist das Wort Chemnitz zum Symbol geworden. Die 250.000-Einwohner-Stadt in Sachsen ist Dauerbrenner, Schlagzeilenmacher, Bühne für Rechtsextremisten.

Doch am Donnerstag war davon kaum mehr etwas zu spüren: Nur wenige Menschen waren an das Fußballstadion gekommen, in dem sich Ministerpräsident Michael Kretschmer beim sogenannten Sachsengespräch Fragen der Bürger stellte. Auch die Neonazihooligans zogen nicht marodierend zu Tausenden durch die Stadt, wie sie es am Sonntag und Montag getan hatten.

Wie Rechte den Krawall kleinreden

Da hatten deutsche und internationale Medien von einem Neonazimob gesprochen. Angeführt wurde der Marsch am Montag von einem Mann namens Arthur Österle, Kader einer rechtsextremen Gruppe. Durchs Megafon rief er den Teilnehmern zu, sie sollten sich wie Deutsche verhalten – geordnet marschieren. Die Masse skandierte daraufhin „links, zwo, drei, vier“ und lief im bemühten Gleichschritt. Wenig später dominierten Rufe wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ und „Lügenpresse auf die Fresse“.

Vom Wort Mob aber wollten Verantwortliche und Sympathisanten dieses grusligen Aufzugs später nichts wissen. Dass dort Hitlergrüße gezeigt wurden – egal, Aktionen von Provokateuren seien das gewesen, behaupteten Akteure wie die bayerische AfD-Kandidatin Heike Themel.

Grundstein des Lügengebäudes ist die Tötung eines Familienvaters in der Nacht zum Sonntag, die als Anlass der Krawalle diente. Boulevardzeitungen titeln, Flüchtlinge hätten eine Frau sexuell belästigt, ein Deutscher habe eingegriffen und sei abgestochen worden. Die sächsische Polizei dementierte diesen Tathergang. Tage später bestritt sogar das vermeintliche Opfer des nie passierten sexuellen Übergriffs, eine Ukrainerin, in dem Lokalblatt Freie Presse die Behauptung.

Teilnehmer der Demo liefern am Donnerstag die passenden Erklärungen. „Die haben die Frau unter Druck gesetzt, damit sie das dementiert“, sagt eine Gruppe von Jugendlichen. Ob jemand von ihnen den Toten kenne oder die Frau? Nein, die kenne man beide nicht – aber das sei auch unwichtig für die Wahrheit, sagen sie.

Chemnitz – gemeinsamer Nenner der Extremisten

Wichtige Figur des rechtsextremen Protests ist der Holocaustleugner Nikolai Nerling (rechts) © Henrik Merker

Die ganz eigene Version von Wahrheit eint die Menschen, die in Chemnitz auf die Straße gehen. Da standen Rentner, die sich die alte sozialistische DDR zurückwünschen, neben Enttäuschten, die sich von der Freiheit nach dem Mauerfall mehr erwartet hatten. Sie alle vernetzten sich mit Multiplikatoren der extremen Rechten. Nikolai Nerling, Freund von Holocaustleugnern, Geschichtsrevisionist und entlassener Grundschullehrer, mischte sich unters Volk. Martin Kohlmann von der rechtsextremen Bürgerbewegung Pro Chemnitz hielt eine lange Rede, dann wurde der Anwalt von seinen Anhängern umringt, Nikolai Nerling an seiner Seite. Arthur Österle fand nach seiner Ansprache gleichfalls begeisterten Zuspruch. Betont friedlich mischten sich Vertreter vom III. Weg, der NPD-Bürgerwehr und Hooligans. Wahrscheinlich wurden hier bereits Pläne für den nächsten großen Aufmarsch geschmiedet. Am Samstag soll er stattfinden.

Dann sollen noch mal alle nationalen Kräfte ran. Die Neue Rechte, angeführt von dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek, will verschiedene Milieus in einer Bewegung vereinen – in den eigenen Kreisen bezeichnet als konservative Revolution. Schon am Donnerstag riefen Redner dazu auf, die gesamte politische Rechte solle sich jetzt verbrüdern.

Demonstranten des Chemnitzer Aufmarsches am Donnerstag © Henrik Merker

Was am Samstag passiert

Die Szene, so scheint es, ist bereit dafür. Auftakt ist eine Demonstration des III. Wegs im südsächsischen Plauen. Dort hatten sie am Mittwoch bereits einen Aufmarsch der AfD begleitet. In Chemnitz legt kurz drauf Pro Chemnitz nach, gefolgt von AfD und Pegida, die einen Trauermarsch in schwarzer Kleidung planen. Unter den Fittichen des AfD-Scharfmachers Björn Höcke, dessen Rhetorik Bezüge zum historischen Nationalsozialismus aufweist, erwartet das rechte Spektrum die Mobilisierung der Massen. Auch die Identitäre Bewegung will mitmachen.

Die Aufmärsche von Chemnitz bergen die Gefahr, die zersplitterte extreme Rechte zu einen. Ein Fanal des Hasses folgt auf das nächste. Ein Ende ist nicht in Sicht.

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Störungsmelder-Autor von Neonazis angegriffen

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Wie ist das, von einer Demonstration zu berichten, auf der Journalisten angegriffen werden? Auch ein Reporter des Störungsmelders bekam die Aggressivität der Neonazis in Chemnitz zu spüren.

Von Henrik Merker

Angriffe auf Journalisten in Chemnitz
Teilnehmer der Demonstration in Chemnitz © Henrik Merker

Mehrere Journalisten wurden auf der Demonstration von AfD, III. Weg, Pro Chemnitz und anderen Gruppen Opfer von gewalttätigen Angriffen. Als erste traf es ein Kamerateam des MDR. Die Reporter wurden in einer Wohnung attackiert, der Kameramann die Treppe runtergestoßen. Er ist verletzt und steht unter Schock, die Kamera ist kaputt.

Kurz darauf wird ein unbeteiligter Jugendlicher vom Fahrrad getreten – direkt vor dem Haus, in dem gerade der Kameramann verletzt wurde. Ein Kollege und ich sehen das, versuchen Fotos zu machen in dieser unübersichtlichen Situation. Eine Gruppe junger Neonazis steht fünf Meter weiter, beobachtet uns und zeigt in unsere Richtung. Später erfahren wir von Kollegen, dass die Gruppe aus Braunschweig stammt. Bekannt als gewaltsuchend, Ex-Kader der NPD-Jugend und Kampfsportler.

Wir wollen uns ein möglichst vollständiges Bild der Demonstration machen, nicht nur Gewalt zeigen – es soll hier auch Trauer geben, hieß es. Trauer um den Mann, der vor einer Woche in Chemnitz erstochen wurde. Wir gehen auf die andere Seite, das Café Brazil ist dort.

Pressefreiheit: Angriffe auf Journalisten in Chemnitz
AfD-Politik Björn Höcke bei dem Aufmarsch © Henrik Merker

Plötzlich sind die drei sportlichen Neonazis von der anderen Seite wieder da. Sie haben die Abkürzung quer durch die Demonstration genommen, bauen sich vor mir auf. Einer schlägt unvermittelt gegen meine Kamera. Zwei andere halten Passanten und Kollegen in Schach.

Ein Kollege filmt geistesgegenwärtig, was passiert – zuerst unentdeckt. Der Angreifer ist ein ehemaliger Kader der NPD-Jugend, bundesweit bekannt. Er drängt sich auf Hautkontakt ran, befummelt meinen Arm. Der Blick leer und aggressiv, wie auf harten Drogen. Hinter mir ist eine schmale Seitengasse, wo keine Polizei steht, niemand langgeht. Der Mann versucht, mich genau dorthin zu drängen. Ein bulliger Typ im schwarzen Kapuzenpullover macht mit.

Eine umstehende Meute feuert die Angreifer an

Als das nicht klappt und ich mich weiter vorn beim Café halten kann, versucht der bekennende Neonazi zu provozieren. Der Kampfsportler will, dass sein Gegner zuerst zuschlägt. Er drängt mich mit seinem Körper weg, schlägt wiederholt auf die Kamera, versucht die Linse zu zerkratzen, indem er umständlich in das nach unten gehaltene Objektiv greift. Die robuste Technik nimmt keinen Schaden, muss zum Glück nur gereinigt werden.

Ältere AfD-Anhänger befeuern die Szene, sagen: „Jetzt kriegst du, was du verdienst“, „Lügenpresse“. Der Angreifer und seine zwei Begleiter fühlen sich bestärkt, gehen jetzt auch auf Umstehende los. Auf andere Reporter, auch auf den Kollegen, der filmt. Sie greifen mit fettigen Fingern in Kameralinsen, versuchen die Technik zu beschädigen. Sie drängen, schubsen und drohen – warten auf Gegenreaktion.

Polizei? Nicht in Sicht

Die Polizei ist während des gesamten Angriffs, der mehrere Minuten dauert, nicht in der Nähe. Die Seitenstraße direkt neben dem Demonstrationszug wurde anscheinend vergessen. Später bricht genau hier eine große Gruppe Neonazi-Hooligans aus der AfD-Demonstration aus.

Sicherheitsleute eines anderen Reporterteams sind es, die den Angriff beenden. Sie drängen die Neonazis weg. Der Angriff ging glimpflich aus, zu Verletzungen kam es nicht.

Bevor er in der Menge verschwindet, sagt der Angreifer: „Nächstes Mal geht das anders aus für dich.“

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Nach Tod von Neonazi Marcel K.: Rechtsextreme ziehen durch Mönchengladbach

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In Mönchengladbach haben 350 Neonazi-Hooligans einem verstorbenen Anführer gehuldigt. Die Rechtsextremen missbrauchen ihre Trauerkundgebung als Machtdemonstration.

Von Henrik Merker

Rechtsextremer Hooligan mit Blumen © Henrik Merker

In der rechtsextremen Szene hatte Marcel K. seinen Fußabdruck hinterlassen: Er gehörte zu den Hauptorganisatoren der gewalttätigen Demonstration HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), die 2014 in Köln für schwere Ausschreitungen verantwortlich war. K. agierte in der Organisation als „Regionalleiter Nord“ und trat regelmäßig bei rechtsextremen Veranstaltungen in Erscheinung. Doch der 32-Jährige hatte eine Seite, die er gegenüber den raubeinigen Kameraden wohl lieber verborgen hielt: Er litt an Depressionen.

Das gab die Polizei auf einer Pressekonferenz nach K.s Tod bekannt. Seine Leiche war am Mittwochabend in der Innenstadt von Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen vor einem Museum aufgefunden worden. Nach Erkenntnissen einer Obduktion hatte er sich das Leben genommen.

Ein Trauermarsch als Signal

Das Gedenken an K. nutzte die Szene rechtsextremer Hooligans als Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Am Tag nach dem Leichenfund kamen 350 Kameraden zu einem Trauermarsch in Mönchengladbach zusammen. Bei ihrem Aufmarsch verzichteten die Teilnehmer auf Parolen, Fahnen und Transparente – T-Shirts und Tätowierungen machten trotzdem unmissverständlich klar, dass sich hier ausschließlich Rechtsextreme treffen.

Das neonazistische Terrornetzwerk Combat 18 war neben Symbolen der griechischen faschistischen Partei Goldene Morgenröte präsent. Aus Thüringen hatte David Köckert zur Teilnahme aufgerufen – der markant tätowierte Rechtsextremist ist Organisator des völkischen Bündnisses Thügida. Neben ihm kamen vor allem lokale Szenegrößen wie der Dortmunder Neonazi-Haudegen Siegfried Borchardt, die sich im Hintergrund hielten.

Siegfried Borchardt, Neonazi-Größe im Ruhrgebiet © Henrik Merker

Verschwörungstheorien über die Todesursache

Schon zu Beginn war klar: Den Neonazis ging es um mehr als die Verarbeitung ihrer Trauer. Seit die Todesnachricht bekannt ist, kursieren in sozialen Medien und auf YouTube krude Verschwörungstheorien. Die Szene akzeptiert nicht, dass K.s Tod ein Suizid war. Gezielt werden Mutmaßungen gestreut, die das Vertrauen in die Obduktionsergebnisse unterminieren sollen. Im Vorfeld der Demonstration riefen Nutzer zu Vergeltungsaktionen an Antifaschisten auf. Rechtsextreme machen sie für den Tod verantwortlich.

Aus dem gesamten Ruhrgebiet reisten Demonstranten an, aus Essen etwa Mitglieder einer einheitlich gekleideten Gruppe namens First Class Crew – Steeler Jungs. Den Hooligans aus dem Essener Stadtteil Steele wird der Angriff auf eine alternative Kneipe im April 2018 zugeschrieben. Die mindestens 80 Personen starke Organisation tritt seit einiger Zeit als Bürgerwehr in Erscheinung und wird von Polizeibehörden beobachtet.

Auch die Road Crew, eine seit über zehn Jahren aktive Verbindung von Fans der Rechtsrockband Barking Dogs, nahm teil. Die Großgruppe ist wie ein Rockerclub in Chapters untergliedert. Sie gilt als Schnittstelle von Rockermilieu, Hooligans und Neonazis.

Bei einer Zwischenkundgebung sollte der Sänger der rechtsradikalen Band Kategorie C auftreten, der ein Lied über den Verstorbenen HoGeSa-Organisatoren geschrieben hatte. Dabei fiel die Technik zwischenzeitlich aus, Tonstörungen begleiteten den grölenden Vortrag.

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Kein Rückhalt für Neonazis in Mönchengladbach

Als sich der Aufzug in Bewegung setzte, provozierten einzelne Neonazis am Rande. Die Polizei war mit einer Hundertschaft im Einsatz, musste aber nicht eingreifen.

Journalisten hatten mit weit mehr Teilnehmern gerechnet, der WDR hatte eigens einen Übertragungswagen nach Mönchengladbach geschafft. Auf der Abschlusskundgebung unterhielten sich zwei Neonazis, ob sie nicht den Hitlergruß in die Kameras zeigen sollten. Dazu kamen Aggressionen gegen Reporter, die den Aufmarsch begleiteten. Nach Veranstaltungsende raunte ein Hooligan einer Fotografin zu: „Und jetzt renn!“

Die Demonstration zeigt: Im Ruhrgebiet gibt es eine gut vernetzte Neonaziszene, besonders im Fußballmilieu. Doch einen Schulterschluss mit Teilen der Zivilgesellschaft wie in den ostdeutschen Städten Köthen oder Chemnitz gibt es nicht. Die Neonazi-Hooligans sorgten bei Passanten in Cafés für entsetzte Blicke – und Jugendliche nahmen lieber Umwege in Kauf, als dem Mob zu begegnen. Ein türkischstämmiger Mann beobachtete das Treiben. Er sagte, er habe Angst vor diesen Männern und ihren Gewaltfantasien.

 

Hilfe und Beratung

Suizidgedanken ähneln einem Teufelskreis, der unausweichlich scheint, sich aber durchbrechen lässt. Häufig sind sie eine Folge psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, die mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden können.

Betroffene finden zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.

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Neonazifeste in Thüringen werden zum Desaster

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Acht verletzte Polizisten, Steinwürfe, Pfefferspray: Thüringen ist am Wochenende zum Kampfplatz von Neonazis geworden. Mit einem misslungenen Rechtsrockfestival hat sich die Szene blamiert.

Von Henrik Merker

Polizisten nehmen einen Teilnehmer fest © Henrik Merker

Über dem Marktplatz der kleinen Thüringer Stadt Apolda wabert der Geruch von Pfefferspray, selbst in einigen Metern Entfernung brennen noch die Augen vom Reizgas. Hunderte kaputte Glasflaschen, Unmengen Müll und mehrere Pflastersteine liegen am Sonntagmorgen noch herum. Die Spuren eines gewalttätigen Kampfes: Neonazis gegen Polizisten. Und die Rechtsextremen haben verloren.

Eigentlich sollte das Wochenende ihr Triumph werden – 6.000 Neonazis aus ganz Europa hatten sich zur dritten Auflage des Rechtsrockevents Rock gegen Überfremdung angekündigt, bekannte Bands wie Gigi & die Braunen Stadtmusikanten und Stahlgewitter sollten auftreten. Doch am geplanten Veranstaltungsort Magdala, gelegen zwischen Weimar und Jena, wartete am Freitag Niederlage Nummer eins: Weil ein Feldweg nicht zum Veranstaltungsgelände gehörte, verhängten die Behörden ein Betretungsverbot, der einzige Zugang war damit gesperrt.

Die rechten Musikfans wichen auf den Marktplatz des knapp 20 Kilometer entfernten Apolda aus – doch dort wurde es eng. Ein Bürgerbündnis aus Parteien und Kirchen belegte einen Großteil des Platzes, die improvisierte Bühne für die Nazi-Bands fiel winzig aus. Niederlage Nummer zwei.

Braune Musikfans sind verzweifelt

Tag zwei, der Samstag, sollte eigentlich zum Höhepunkt des nicht so bunten Treibens werden. Die Neonazikameradschaft Turonen wollte eine Ersatzveranstaltung in Kirchheim nahe der Landeshauptstadt Erfurt organisieren, 1.500 Gäste sollten Platz finden. Doch dann kam wiederum ein Verbot: Die Veranstalter hatten die gesetzliche Anmeldefrist nicht eingehalten. Niederlage Nummer drei.

Auf den Feldwegen zwischen Apolda und Kirchheim stehen in der Zwischenzeit etliche Neonazis, verzweifelt dreinblickend und mit Bier in der Hand. Einige waren extra aus der Slowakei angereist. Die verärgerte Menge reiste weiter, wiederum zum Marktplatz von Apolda. Den gescheiterten Organisatoren aus der Turonen-Kameradschaft wurde die Leitung entzogen, durch das Programm führte der Berliner NPD-Kader Sebastian Schmidtke. Ihm zur Seite stand der Neonazi Marcel Zech aus Brandenburg. Zech saß zuletzt acht Monate in Haft, weil er sich das Eingangsportal von Auschwitz auf den Rücken tätowieren ließ.

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Rechter Gewaltexzess

Geblieben waren nur noch rund 500 Gäste. Einige Ordner der Veranstaltung waren bekannte Gesichter: Sie hatten bereits bei den gewalttätigen Vorfällen von Chemnitz in der ersten Reihe gestanden. Wie dort skandierte der Mob von Hooligans und Neonazis die Parolen „Wir sind das Volk“ und „Widerstand“. Konkurrenz bekamen sie vom städtischen Herbstfest, das von Ministerpräsident Bodo Ramelow und Innenminister Georg Maier unterstützt wurde. Mit einem Friedensgottesdienst, kirchlichen Liedern und lauten Trillerpfeifen nahmen Bürger den braunen Besuchern ihren Spaß. Da eskalierte die Stimmung.

Der Mob begann, mit Flaschen, Steinen und Müll auf Polizisten zu werfen. Neonazis sprangen mit Kampfsportbewegungen auf die Beamten. Acht Polizisten wurden verletzt. Auch von einem Dach aus wurden Gegenstände geworfen, meldet die Polizei.

„Erschreckend, widerlich und hoffentlich nie wieder“, kommentiert eine Anwohnerin am Morgen darauf den Gewaltexzess. Mehrere Hundertschaften gingen mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angreifer vor. Neonazis mussten sich die tränenden Augen am Stadtbrunnen auswaschen. Einige von ihnen wurden mit Kabelbindern gefesselt und abgeführt. Die ganze Nacht kreiste ein Hubschrauber über der Stadt, Wasserwerfer standen in Bereitschaft.

Nach dem Pfefferspray – Augen auswaschen am Marktbrunnen © Henrik Merker

Schaden für die Neonaziszene

Während der Ausschreitungen ging das Konzert weiter. Als die Polizei ankündigte, die Versammlung aufzulösen, kam ihnen Versammlungsleiter Schmidtke zuvor und beendete das Konzert – nicht ohne Drohung in Richtung der Polizei: „Später werdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht“, brüllte er.

Den Neonazis dürfte durch das Desaster von Thüringen ein Schaden in fünfstelliger Höhe entstanden sein; Besucher, die sich für das Konzert in Magdala Tickets gekauft hatten, fordern ihr Geld zurück, heißt es. „Das wird in der Szene Ärger geben“, sagte Innenminister Maier am Freitag auf einer Pressekonferenz. Auch die Mitglieder der Turonen-Kameradschaft haben ihr Ansehen als Konzertorganisatoren eingebüßt. Nachdem entlarvende Mitschnitte von einem ihrer Konzerte in Kirchheim an die Öffentlichkeit gelangt waren, war dieses von Pleiten geplagte Wochenende der nächste szeneninterne Imageschaden.

Was das gewaltsame Thüringer Wochenende gezeigt hat: Die Neonaziszene radikalisiert sich zusehends. Ihre Finanzierung will sie laut Innenminister Maier durch Großevents sichern. Er fürchtet, dass Rechtsextremisten mit größerem Budget immer wieder in die Öffentlichkeit drängen könnten, sagte er. Mit konsequenten Verboten wolle er der Szene „die Finanzkanäle abschneiden“. Es wäre die nächste Niederlage für die Neonazis.

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Neonazifest in Ostritz: mit Tricks gegen die Pressefreiheit

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Neonazifest in Ostritz: Mit Tricks gegen die Pressefreiheit: Neonazis verkaufen Szenekleidung auf dem Schild-und-Schwert-Festival © Henrik Merker
Neonazis verkaufen Szenekleidung auf dem Schild-und-Schwert-Festival © Henrik Merker

Neonazis haben in Ostritz eine juristische Lücke genutzt, um Presse von ihren Veranstaltungen fernzuhalten. Bei einem Festival im sächsischen Ostritz konnten Medienvertreter nur kurze Rundgänge über das Gelände der eigentlich öffentlichen Versammlung machen – die Presse- und Versammlungsfreiheit wurden ausgehebelt.

Juristische Tricks gegen Pressefreiheit

An einer öffentlichen Versammlung kann jeder teilnehmen. Doch bei einer Veranstaltung am Wochenende im sächsischen Ostritz griffen die Neonazis um den Thüringer Organisator Thorsten Heise zu einem Trick, um ihr Publikum auswählen zu können. Auf das hektargroße Areal des Hotels Neißeblick im östlichsten Zipfel Sachsens waren 750 Neonazis zu einer Kampfsportveranstaltung gekommen, unter ihnen einige, die lieber nicht in der Öffentlichkeit stehen wollen. Dass Rechtsextreme ihre Großveranstaltungen trotzdem öffentlich anmelden, ist kein Widerspruch, denn damit wird es Behörden fast unmöglich gemacht, die Feste zu verbieten.

Vor allem ihre Kampfsportevents will die rechte Szene vor der Öffentlichkeit geheim halten. Bei den brutalen Kämpfen unter dem Slogan „Kampf der Nibelungen“ sollten sich zum wiederholten Mal professionelle Schläger prügeln und für viele Zuschauer sorgen. Angekündigt waren Gruppenkämpfe, die laut Polizei möglicherweise strafbar sind. Das Event fand nicht statt, weil internationale Kämpfer kurzfristig absagten, es soll Differenzen in der Szene gegeben haben. Doch nicht nur die Kämpfe, auch Konzerte und Tattoo-Veranstaltungen will die Szene lieber unbeobachtet abhalten.

In Ostritz versuchten die Neonazis es daher mit einem Trick, um Pressevertreter und kritische Öffentlichkeit außen vor zu lassen. Mit einem Bauzaun wurde das Versammlungsgelände vom Rest des Hotelareals abgetrennt. Die hohe Mauer und die Neiße schotteten die Versammlung nach hinten ab. Um teilzunehmen, musste man deshalb über das als privat deklarierte vordere Hotelgelände laufen, auf dem die Neonazis das Hausrecht für sich beanspruchten. Das Privatgelände durften zu Beginn der Veranstaltung nur Gäste mit Ticket und die Polizei betreten.

Mit diesem Vorgehen hielten die Veranstalter Berichterstatter fern. Dem Oberverwaltungsgericht blieb am Freitag nichts anderes übrig, als die massive Einschränkung als gesetzeskonform abzusegnen. Auf Druck der sächsischen Polizei wurden Journalisten am Freitag zumindest für einen Rundgang auf das Gelände gelassen. Dabei galt aber für den Privatbereich ein striktes Foto- und Filmverbot. Erst hinter dem Bauzaun durften die Kameras angeschaltet werden. Mehr als diese kurze Geländebegehung wollte Veranstalter Thorsten Heise nicht erlauben.

Am Sonnabend wollte die Polizei dann durchsetzen, dass Journalisten vollständigen Zugang bekommen, doch scheiterte das an den Ordnern der Neonazis.  Mit der Behauptung, ein Journalist habe provoziert und Porträtaufnahmen gemacht, versuchten sie Reportern den Zutritt in die Hallen zu verbieten. Während eines Konzerts drängten die Ordner Journalisten nach wenigen Minuten aus der Halle und ließen sie von der Polizei wieder nach draußen begleiten. Wer länger auf dem Gelände bleiben wollte, musste Polizisten um Personenschutz bitten, sich Drohungen von Teilnehmern und die ständige Begleitung durch rechtsextreme Ordner gefallen lassen.

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LKA-Beamte halten Journalisten fest

Nach den Rundgängen wurden zwei junge Journalisten von Thorsten Heise angezeigt: Eine habe auf dem Privatgelände fotografiert, der andere habe es versucht, behauptete der Neonazi. Polizisten nahmen daraufhin die Personalien der Reporterin auf und hielten sie fest. Erst nachdem der Polizeipressesprecher einschritt, wurde die Maßnahme beendet. Kurz nachdem das Presseteam der Polizei in den Feierabend ging, versuchten zwei LKA-Beamte, den anderen Journalisten festzuhalten und seine Personalien für eine Anzeige aufzunehmen. Erst die Intervention mehrerer Reporterkollegen hielt die Beamten davon ab.

Kurios an der Personalienfeststellung ist deren Begründung: Sollten später rechtswidrig Bilder veröffentlicht werden, werde die Anzeige gegen die Journalisten verfolgt. Eine begangene Straftat wurde beiden hingegen nicht vorgeworfen. Zuletzt war das sächsische Landeskriminalamt in die Kritik geraten, als einer ihrer Mitarbeiter ein ZDF-Team an der Arbeit hinderte.

Trotz Ankündigung, das Alkoholverbot auf der Versammlung strikt durchzusetzen, musste die Polizei am Sonnabend zugeben, dass viele Betrunkene auf dem Gelände waren. Den zwei angezeigten Journalisten wurden deshalb weitere Rundgänge auf dem Gelände verboten – es sei für sie zu gefährlich.

Warme Worte helfen nicht

Auf dem Ostritzer Marktplatz betonte der sächsische Ministerpräsident am Freitag die Wichtigkeit von Demokratie und Pressefreiheit: „Der Spaß hört auf, wenn Leute durch die Gegend rennen und sagen, das ist eine Lügenpresse“, sagte Michael Kretschmer vor rund 250 Menschen. Er war offensichtlich nicht weit zu hören. Denn nur 500 Meter weiter wurde die Arbeit von Journalisten zwei Tage lang massiv eingeschränkt. Einzelne Polizisten verstiegen sich gar in die Behauptung, Reporter würden rechtswidrig fotografieren und sollten es nicht „übertreiben mit der Pressefreiheit“. Als ein Journalist auf ein rechtswidrig abgeklebtes Pkw-Kennzeichen hinwies, wurde er mit einem pressefeindlichen Kommentar abgebügelt.

Das Ressentiment gegen die Presse macht es Neonazis einfach, Polizisten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Auch wenn die Szene selbst momentan geschwächt ist, schafft sie es mit juristischen Tricksereien, aus einer Position der Stärke zu agieren.

Neonazifest in Ostritz: Mit Tricks gegen die Pressefreiheit: Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Friedensfest © Henrik Merker
Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Friedensfest © Henrik Merker

Bei einem Treffen der Innenminister von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde am heutigen Montag beschlossen, muslim- und fremdenfeindliche Netzwerke stärker zu bekämpfen. Thüringens Innenminister Georg Maier forderte ein länder- und behördenübergreifendes Vorgehen gegen rechtsextreme Strukturen. Bis Ende November sollen Maßnahmen gesammelt werden, um sie der Innenministerkonferenz als gemeinsame Initiative der drei Bundesländer vorzulegen. Womöglich können die Behörden den für 2019 in Ostritz geplanten Neonazi-Events dann mehr entgegensetzen. Insgesamt seien vier Veranstaltungen geplant, sagte Hotelbetreiber Hans-Peter Fischer.

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AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los

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Um der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen, hat die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative ihren niedersächsischen Landesverband ausgeschlossen. Doch das halbherzige Manöver funktioniert nicht wie erwartet.

Von Henrik Merker

Junge Alternative: AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los
JA-Mitglieder beim Bundeskongress © Henrik Merker

Es sollte ein Befreiungsschlag werden: Die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) hat auf ihrem Bundeskongress am Sonntag ihren niedersächsischen Landesverband ausgegliedert. Rund drei Viertel der Stimmberechtigten stimmten für den Rauswurf, der faktisch die Auflösung bedeutet.

Nötig wurde der Schritt aus Sicht der JA-Mitglieder, weil sie in Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet werden – ein Status, der auch der Parteijugend als Ganzes drohte. Tatsächlich aber ist die Überwachung nicht vom Tisch: Der Geheimdienst bescheinigt auch Teilen des verbliebenen Personals der AfD-Jugend eine personelle und inhaltliche Nähe zur rechtsextremen Gruppe der Identitären Bewegung (IB). Damit bleiben sowohl aktive Kader als auch die automatisch ausgeschlossenen niedersächsischen Mitglieder auf dem Radar der Behörde.

Hinzu kommt: Der Bremer Verband, ebenfalls vom Verfassungsschutz überwacht, bleibt vorerst Teil der Jugendorganisation. Über seine Ausgliederung wurde auf dem Kongress im niedersächsischen Barsinghausen nicht abgestimmt.

Beweise gegen Rechts-außen-Mitglieder

Begründet wurde das unter anderem damit, dass die Bremer Gruppe gerade einmal aus 15 Mitgliedern besteht. Dass Bremer Vorstandsmitglieder im vergangenen Jahr an einer Identitären-Demonstration teilgenommen haben, reicht in den Augen einiger Funktionäre nicht für einen Rauswurf. „Das Problem ist, da hat jemand an einer IB-Demo teilgenommen – und das wird dann gleich in die Verfassungsschutzecke gerückt“, sagte Nicolai Boudaghi, stellvertretender Bundesvorsitzender des Jugendverbandes.

Über das weitere Vorgehen gegen die Bremer Kameraden sollen nun die Landesvorstände bei einem Bundeskonvent beraten. Von dort soll dem nächsten Bundeskongress eine Handlungsempfehlung ausgesprochen werden, sagte Torben Braga, Sprecher des Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative. Dann werde auch ein Gutachten zum Problemverband vorliegen. Geht es nach dem Bundesvorsitzenden Lohr, habe sein Verband durch den Rauswurf der Niedersachsen zumindest dort „alle Probleme“ gelöst. Die ehemaligen Mitglieder können jedoch sofort neue Aufnahmeanträge beim Bundesverband stellen. Bis Januar soll laut einem NDR-Bericht ein neuer Landesverband gegründet werden – auch deshalb will der Verfassungsschutz nicht lockerlassen.

Um sich vor den extremsten unter den Ex-Mitgliedern zu schützen, sollen Beweise aus internen Unterhaltungen zum Einsatz kommen: In rauen Mengen gebe es belastende Screenshots von Chatverläufen, sagen mehrere der Teilnehmer des Bundeskongresses. Die Moderatoren von Gruppenchats würden alle gemeldeten Beiträge sichern, bevor sie gelöscht werden – vordergründig, um sich gegen interne Zensurvorwürfe zu verteidigen. Einer sagt, er habe bereits über 400 Bilddateien mit kompromittierendem Inhalt gesammelt. Sogar der Parteivorsitzende Alexander Gauland habe sich in seiner Eröffnungsrede in Barsinghausen auf solche Dateien bezogen, sagte ein Teilnehmer.

Junge Alternative: AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los
Als Redner geladen: Alexander Gauland © Henrik Merker

Kontakte zu Identitären auch im Bundesvorstand

Doch auch im Bundesvorstand der Jungen Alternative sitzen Kader, die mit Identitären zusammenarbeiten oder häufig an deren Aktionen teilnehmen. Felix Koschkar, stellvertretender Schatzmeister der JA, gilt unter Beobachtern als Schnittstelle zu Leipziger Identitären. Er ist Vorstandsmitglied der Patriotischen Plattform, einer AfD-Gliederung, auf die der Verfassungsschutz ebenfalls aufmerksam wurde. Der Sprecher der Plattform, Hans-Thomas Tillschneider, hatte im September deshalb die Auflösung angekündigt. Geschehen ist seitdem nichts. Beim nächsten Mitgliedertreffen solle ein entsprechender Antrag gestellt werden, sagt Koschkar auf Nachfrage – einen Termin gebe es noch nicht.

Die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger, kündigte unterdessen an, die Strukturen der JA weiter zu beobachten. Wohl aus gutem Grund: Dass Distanzierungen und die Auflösung einzelner Gliederungen die große ideologische Wende in der AfD bringen, ist nicht zu erwarten. Hans-Thomas Tillschneider bekannte sich in seiner Ankündigung, die Patriotische Plattform aufzulösen, zu den Inhalten der Identitären. Und auch bei der Jugend lässt sich kein offener Bruch mit der extremistischen Gruppe erkennen. Mitglieder, die sich klar gegen die Verbrüderung mit Rechtsextremisten aussprechen, finden in der Partei keine Mehrheit.

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Rechtsextreme Demo zum Pogromgedenken

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In Berlin wollten zum Gedenktag der Pogromnacht am 9. November Hunderte Rechtsextreme aufmarschieren. Dem Aufruf von Wir für Deutschland folgten jedoch nur 70 Teilnehmer. Mitglieder des Vereins rufen öffentlich zur Abschaffung des Grundgesetzes auf.

von Henrik Merker

Die Demonstranten nehmen Aufstellung
© Henrik Merker

Mit der Teilnehmerzahl an ihrer Demonstration zum 9. November sind die Rechtsextremen des Vereins Wir für Deutschland sichtlich unzufrieden, im sozialen Netz hatten sie noch von bis zu 1.400 Teilnehmern geträumt. Dass so wenige gekommen sind, schiebt Enrico Stubbe – einer der Organisatoren des Aufmarsches – auf den Gegenprotest. Weil Hunderte Gegendemonstranten den Vorplatz des Hauptbahnhofs in Beschlag genommen haben, könne niemand zu ihnen kommen, sagt er. Andere Teilnehmer würden in Kontrollen feststecken. Doch auch eine Stunde später hat sich an der Menge nichts geändert, nur der Gegenprotest ist angewachsen. Mehrere Tausend rufen und pfeifen von Washingtonplatz und Spreeufer aus.

Unter die wenigen Teilnehmer, denen zwischenzeitlich genauso viele Journalisten gegenüberstehen, haben sich ein paar jüngere Neonazis gemischt – sie fallen auf und werden von ihren älteren Kameraden freudig empfangen. Kurze Zeit später zücken drei der Jungen ihre Smartphones, drängen sich vor die Journalisten und halten ihnen grelle Videolampen vor den Kopf. Die Neonazis filmen Gesichter ab, laufen minutenlang Reportern hinterher und stellen sich vor Kameras – bis die Polizei eingreift und ihre Personalien aufnimmt. Als die Demonstration wenig später losläuft, verdrücken sich die Jüngeren in die Mitte, wollen nicht noch mal auffallen.

Neonazis belästigen Journalisten © Henrik Merker

Verfassungsfeinde

Vorn läuft dafür Enrico Stubbe mit einem Pflaster auf der Stirn – er sei zusammengeschlagen worden, behauptet der Rechtsextremist in einem Livevideo. Stubbe droht im selben Atemzug dem Berliner Innensenator Geisel: „Die nächste Demonstration wird in Ihrer Straße sein!“ Der Innensenator hatte im Vorfeld versucht, die rechtsextreme Demonstration am Gedenktag der Pogromnacht zu untersagen – doch ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht kippte die ohnehin schwierige Verbotsverfügung in zweiter Instanz. Während aus Polizeikreisen Kritik an dem Verbot laut wurde, begrüßte der Zentralrat der Juden den letztlich nur symbolischen Versuch.

Andere Kader des rechtsextremen Vereins schlagen in eine ähnliche Kerbe wie Stubbe, der dem Innensenator quasi einen Hausbesuch via Demonstration androht. „Raus mit Andersgläubigen SOFORT. Es wird langfristig zu Problemen führen. Abschaffung der EU. Abschaffung des Grundgesetzes“ – Kay Hönicke, Livestream-Gesicht des rechtsextremen Vereins Wir für Deutschland, nimmt schon 2015 kein Blatt vor den Mund. Auch das Horst-Wessel-Lied zitiert er unter einem Beitrag: „Die Reihen fest geschlossen“. Auf dem Washingtonplatz in Berlin ist er mit als Erster da, sein Verein hat zu einem „Trauermarsch für die Opfer von Politik“ gerufen. Der passionierte Jäger verteilt Grablichter an die rund 70 Teilnehmer, später sollen die Kerzen zwischen Bundestag und Brandenburger Tor zum Wort „Freiheit“ aufgestellt werden. Hönicke ist kein Unbekannter: Der Rechtsextremist nahm zuletzt an den völkischen Aufmärschen von Pro Chemnitz teil, warb dort für Demonstrationen in Berlin. In Dresden betätigte er sich als Sänger für Pegida, stimmte auf der Bühne mehrerer Demonstrationen das obligatorische Deutschlandlied an.

Kay Hönicke (l.) und Enrico Stubbe (m.) am Lautsprecherwagen © Henrik Merker

Neben Hönicke findet sich auch eine rechtsextreme Aktivistin aus Chemnitz in der ersten Reihe der „Wir für Deutschland“-Demonstration. Denise G., ehemaliges Bild-Girl und Inhaberin eines Friseursalons, ist mit Kay Hönicke liiert. Im Extrem ihrer Aussagen stehen sich beide in nichts nach – auf einem ihrer Social-Media-Profile findet sich ein Beitrag mit den Worten: „Der Pessimist lernt Arabisch. Der Realist lernt Schießen.“

Absurde Show zum Gedenktag

Aus den Lautsprecherboxen, die von Hönicke und Enrico Stubbe auf einen dunklen Kombi geschnallt wurden, kommt klassische Musik. Am Bundestag lesen die Rechtsextremen Namen von Menschen vor, die an der deutschen Mauer gestorben sind. Doch die angemeldete Zeit reicht nicht, ständig setzt die Technik aus, auch eine Rede muss gestrichen werden. Nach einer Minute Schweigen geht es zurück zum Hauptbahnhof. Während die Demonstranten durch das Berliner Regierungsviertel laufen, tanzt ein Ordner der Rechtsextremen Ballerina-Figuren zur klassischen Musik. Die lächerliche Szene bringt die umstehenden Polizisten zum Kopfschütteln – am Gedenktag der Novemberrevolution, der Novemberpogrome, des Mauerfalls hätten sie gern anderes zu tun. „Vielleicht klappt es ja das nächste Mal mit dem Verbot“, sagt ein Beamter.

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Notorisch rechtsextrem in Chemnitz

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„Sonst wird dich der Sachse holen mit dem Luftgewehr“ – im Original heißt es Schießgewehr, und manchen der sächsischen Rechtsextremen in Chemnitz ging genau dieses Wort an diesem Freitag über die Lippen. Diese Verbalattacken zielten auf die Bundeskanzlerin, die zu einem Besuch in die Stadt gekommen war.

Pro-Chemnitz-Teilnehmer sehen sich als das Volk © Henrik Merker

 

Dieser Freitag begann in Chemnitz mit strengen Sicherheitsvorkehrungen. Laptops und Kameras wurden auf Sprengstoff überprüft, und alle, die in die Hartmann-Sporthalle kamen, passierten Leibesvisitationen und Metalldetektoren. Die Kanzlerin, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig hatten sich bei der Jugendmannschaft angekündigt: ein sogenannter Bürgerdialog am Rande des Trainings der Jugendmannschaften der Chemnitz 99ers, einem Basketballteam der zweiten Bundesliga. Polizei und Stadtobere sind nervös, am Tag zuvor gab es eine Bombendrohung gegen das Konzert der Punkband Feine Sahne Fischfilet in einem Chemnitzer Kulturzentrum, zuletzt machten organisierte Rechtsextreme, von denen mindestens drei aus der bereits 2007 verbotenen Kameradschaft Sturm 34 stammen, Schlagzeilen. Die rechtsextreme Bewegung Pro Chemnitz und Verschwörungstheoretiker hatten zu Demonstrationen aufgerufen, ein Pro-Aktivist hatte beim Kanzlerinnengespräch Angela Merkel gar aufgefordert, mit zur Demo zu kommen.

Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Neonazis

Knapp hundert, größtenteils zugereiste Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Neonazis hatten sich für 15 Uhr am Hauptbahnhof verabredet: Mit schwarz-weiß-roten Fahnen marschierten sie quer durch die Stadt bis vor die Sporthalle der 99ers, um sich dort mit Teilnehmern einer Kundgebung von Pro Chemnitz zu vereinen. Die Demonstranten nennen sich, in Anspielung auf die Hitlerjugend, Merkeljugend. Methode der Gruppe ist es, Angela Merkel über die Ästhetik des NS-Regimes mit Adolf Hitler gleichzusetzen. Dass es dabei nicht um Satire und Spaß geht, zeigen die Rechtsextremen spätestens dann, als sie Reporter bedrängen und Polizisten bepöbeln.

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Zu sehen sind schwarz-weiß-rote Fahnen, auf die das Euro-Zeichen und Totenköpfe gedruckt sind. Die Polizei beschlagnahmte eine Kiste mit T-Shirts, die der Veranstalter ursprünglich an die Teilnehmer verteilen wollte. Darauf war das Markenzeichen der Kanzlerin, eine Raute, und der Slogan „Geil Merkel“ gedruckt. Die Polizei prüft nun, ob der Straftatbestand der Beleidigung erfüllt ist. Ein Teilnehmer reckte ein Transparent mit der Aufschrift „Heil Merkel“ in die Höhe. Auch hier schritt die Polizei ein, das Transparent durfte nur noch eingeschränkt gezeigt werden, das Wort „Heil“ durfte nicht zu sehen sein. Auf einer Armbinde, die an nationalsozialistische Hakenkreuz-Binden erinnerte, trug der Anmelder der Veranstaltung – einst im neonazistischen und seit 2000 verbotenem Netzwerk „Blood and Honour“ aktiv – die Worte Sicherheits-Abteilung. Auch das untersagte die Polizei.

Mitten in der Menge hatte ein Demonstrant seine Adresse und Telefonnummer auf ein Schild geschrieben, auf dem er behauptet, von der Regierung gefoltert zu werden. In einem Blog spezifiziert der Mann seine Behauptung: In seinem Haus gebe es knackende Geräusche – für ihn ein Grund anzunehmen, er werde vom polizeilichen Staatsschutz mit „Infraschall-Schlafentzug“ gefoltert, wie er schreibt. Außerdem fühle er sich von Drohnen und Beamten in Zivil verfolgt.

Sie wollen „Merkel mit dem Luftgewehr holen“

Zur gleichen Zeit verbreiten Mitglieder der Pro-Chemnitz-Kundgebung antisemitische Verschwörungstheorien: Eine Teilnehmerin behauptet, die NSDAP sei eine linke Partei gewesen, jüdische Familien würden die Welt beherrschen und Angela Merkel sei eine Marionette einer Weltverschwörung. Wenig später wurde die Jüdin Anette Kahane, Leiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Ziel einer Hass-Rede. Seit Jahren spinnen Rechtsextreme eine Kampagne gegen die Stiftung und ihre Mitarbeiter, die vorrangig Aufklärungarbeit über Rechtsextremismus betreibt.

Ganz im Duktus der Verschwörungstheoretiker wird Angela Merkel von Rednern mehrfach mit Adolf Hitler verglichen. Über die Lautsprecher gaben Mitglieder von Pro Chemnitz Parolen durch, die von den rund 1.500 Teilnehmern mitgegrölt werden. „Merkel hat das Land gestohlen/Gib es wieder her/Sonst wird dich der Sachse holen/mit dem Luftgewehr“ war einer der Sprüche, in dem offen zur Gewalt aufgerufen wurde.

Zur Erinnerung: An Demonstrationen von Pro Chemnitz nahmen in der Vergangenheit mutmaßliche Rechtsterroristen teil. Martin Kohlmann, Anwalt und Leiter von Pro Chemnitz, soll selbst enge Verbindungen zur verbotenen Gruppe Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC) haben. Die NSC nahm auch an Schießtrainings im Ausland teil, ein führendes Mitglied stammt Gerichtsakten zufolge aus der kriminellen Vereinigung Sturm 34, die für mindestens 70 schwere Straftaten verantwortlich ist.

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ZPS bedankt sich für Hass und Gewaltaufrufe gegen Soko Chemnitz

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Hass und Gewaltaufrufe gegen Künstler von Soko Chemnitz
ZPS-Büro am Chemnitzer Weihnachtsmarkt: spartanisch auf Advent getrimmt © Henrik Merker

Das Zentrum für Politische Schönheit hat Chemnitz mit einer kontroversen Kunstaktion in Aufruhr versetzt. Nun hagelt es handfeste Drohungen aus der rechten Szene. Genau das wollte das ZPS, die Aktion war ein Trick.

Seit Montag dominiert die Berliner Künstlergruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) wieder Feuilleton und Kommentarspalten. Auf einer Website namens Soko Chemnitz hat das ZPS einen Pranger für mutmaßliche Rechtsextreme eingerichtet, die Ende August an den gewalttätigen Demonstrationen von Chemnitz teilgenommen haben sollen. Mit Plakaten fahren die Künstler seither durch die Republik, um von ihnen identifizierte Rechtsextreme bei deren Arbeitgebern anzuschwärzen. Nahe dem Chemnitzer Weihnachtsmarkt öffnete schließlich am Montag auch ein Pop-up-Store – doch ist er wohl lediglich Teil der Performance.

Denn als am Montagmorgen die ersten rechten Demonstranten an dem Laden in der Chemnitzer Innenstadt auftauchten, war der verwaist. Durch das Schaufenster waren Büromöbel, Computer, eine Sitzecke und weihnachtliche Dekoration zu sehen. Doch das einzig Echte im Laden waren die Büropflanzen. Zum Computer führte kein Kabel, Mitarbeiter gab es auch keine. Dank der lamettabehangenen Bürolampe und der dezent geschmückten Heizung wirkte der Raum beinahe komisch. Die Bild-Zeitung auf dem Tisch der Sitzecke war wohl als Anspielung auf deren G20-Pranger von 2017 gedacht.

Eine Täuschung ist vermutlich auch die Ankündigung, jeder, der einen Rechtsextremen auf den Plakaten des Zentrums erkenne und ihn melde, werde 88,88 Euro bar auf die Hand bekommen. Am Nikolaustag könne man in dem Laden das Geld abholen, wenn man seine rechtsextremen Arbeitskollegen verpfeife, hatte das ZPS auch auf der Website angekündigt.

Andere hingegen meinen es ernst mit dem Geld. Als erste Reaktion auf die Aktion des ZPS veröffentlichte die rechtsextreme Kleinstpartei Pro Chemnitz einen Aufruf, Geld für Gerichtsverfahren an sie zu spenden. Man wolle alle vom Outing Betroffenen unterstützen, die eine Rechtsschutzversicherung haben und sich an die Partei wenden. Der Aufruf zur Spendensammlung wurde mehr als 1.400-mal geteilt und rege kommentiert. Am Telefon damit konfrontiert entgegnete ZPS-Sprecher Stefan Pelzer: „Pro Chemnitz versucht, sich schamlos an unserem Kunstwerk zu bereichern!“ Ob die Spenden wirklich in Verfahren fließen, stellte Pelzer infrage. Schließlich springe die Versicherung in solchen Fällen ein – und die ist Bedingung für die Unterstützung durch Pro Chemnitz.

Nicht nur weil sie vom ZPS geoutet wurden, werden sich manche Rechtsextreme bald einen Anwalt nehmen müssen. Einige hatten in den Kommentarspalten von Pro Chemnitz dazu aufgerufen, mit Steinen die Scheiben des Soko-Chemnitz-Ladens einzuwerfen und die Plakate zu stehlen. Andere forderten Farb- und Brandanschläge und drohten, die Künstler zusammenzuschlagen. Die Polizei leitete Ermittlungen ein.

Auch manche Arbeitgeber haben sich öffentlich gemeldet, weil bei ihnen Mitarbeiter angeschwärzt wurden, die an den Ausschreitungen beteiligt gewesen sein sollen. Neben ausführlicher Kritik an der ZPS-Aktion stellte ein Firmenchef klar, wenn der gemeldete Mitarbeiter „entgegen unseren Werten und vielleicht sogar strafbar gehandelt hat“, stoße man „zwangsläufig an die Grenzen des Erträglichen“.

Die Polizei ging allerdings nicht nur gegen einige vermummte Rechtsextreme vor, die sich vor dem Laden versammelt hatten, sondern auch gegen den Laden selbst. Ein Schlüsseldienst brach die Tür auf und wechselte das Schloss aus. Die Beamten beschlagnahmten alle Plakate. Eine Maßnahme im Sinne der Gefahrenabwehr, sagte ein Polizeisprecher. Die Künstler sehen das anders, sie wollen sich gegen den Polizeieinsatz juristisch wehren und die Ladenschlüssel wiederbekommen.

Im Netz eskaliert die Debatte derweil weiter. Auf Social-Media-Seiten rechter Gruppen bezeichnen sich extrem rechte Kommentatoren als „die neuen Juden“, mehr noch: Sie würden schlimmer verfolgt als Juden zu Nazizeiten. Das Zentrum für Politische Schönheit? So schlimm wie Hitler und Stalin zusammen, oder noch schlimmer, sind andere überzeugt. Einer bezeichnet die Aktion Soko Chemnitz als „Verfolgung der deutschen Rasse“.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite persönliche Daten von ZPS-Initiator Philipp Ruch, dessen Mutter und einigen anderen Künstlern aus der Gruppe. In den Kommentaren zu dem Posting fallen die Worte „entartete Kunst“ und „Bürgerkrieg“. Dem AfD-Abgeordneten gefällt das.

Nachtrag: Die ganze Aktion war ein Trick, um an die Namen von Beteiligten der Demos in Chemnitz zu kommen. Das Zentrum für Politische Schönheit hat auf der Soko-Chemnitz-Website inzwischen bekannt gegeben, dass die Website lediglich ein „honeypot“ war, ein Honigtopf zum Sammeln von Informationen. Teilnehmer der gewalttätigen Demonstrationen sollten dazu verleitet werden, ihren eigenen Namen in der Datenbank zu suchen. Anschließend wurden ihnen andere Rechtsextreme angezeigt, die sie wahrscheinlich kennen. Wer weitere Namen aus dem eigenen Bekanntenkreis auf der Website suchte, wurde mit denen in Verbindung gebracht. Wurden anschließend Namen in die Suche eingegeben, die der Datenbank noch nicht bekannt waren, wurden diese mit einem Wahrscheinlichkeitswert versehen dem Umfeld des Rechtsextremen zugeordnet.

Laut ZPS soll so das Netzwerk rechtsextremer Bürger in Chemnitz analysiert werden – man habe 52.000 Zeilen an Datenmaterial gesammelt. In den kommenden Tagen soll das ausgewertete Material visualisiert und veröffentlicht werden, sagt Fritz Klein vom ZPS. Doch sei die Aktion kein Selbstzweck: „Wir prüfen eine Übergabe an die Verfassungsschutzbehörden.“

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Identitäre Bewegung greift Zeitungen und Parteibüros an

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Gruppen der rechtsextremen Identitären Bewegung haben in mehreren deutschen Städten Redaktionen und Parteibüros angegriffen. Sie klebten Plakate mit Hinweisen auf linke Gewalt, die Mitarbeiterin einer Zeitung wurde verletzt.

Von Henrik Merker

Identitäre Bewegung greift Zeitungen und Parteibüros an
Polizisten lösen 2017 eine gewalttätige Identitären-Demonstration in Berlin auf. © Michael Trammer/24mmjournalism

Die Attacken kamen schnell und koordiniert: In mehreren deutschen Städten haben Gruppen der rechtsextremen Identitären Bewegung am Montag Redaktionen und Parteibüros angegriffen. In Berlin wurde die Mitarbeiterin einer Zeitung verletzt – nur in Frankfurt stoppte die Polizei den Trupp frühzeitig.

Mit einem Transparent posierten Identitäre am Montagmorgen in Dresden vor einem Büro der Linken und einer Niederlassung der SPD – darauf war die Frage „Wann reden Sie über linke Gewalt?“ zu lesen. Ein Zeuge berichtete dem Störungsmelder, die Teilnehmer hätten rote Farbe, Steine, Fahnen und Benzinkanister abgestellt; an die Eingangstüren klebten sie ebenfalls Plakate mit dem Hinweis auf linke Gewalt. Später brüsteten sich die Identitären auf Twitter mit der Tat und bezeichneten sie als Teil mehrerer bundesweiter Aktionen.

Auf Twitter zeigte die Identitäre Bewegung Fotos der Aktion. Screenshot: Störungsmelder

Der Staatsschutz ermittelt

In Berlin wurde die Tageszeitung taz Ziel der Aktion. Eine Mitarbeiterin habe sich einer Gruppe von sechs bis sieben Angreifern entgegengestellt und versucht, die Plakataktion zu verhindern. „Daraufhin wurde sie gepackt und am Oberkörper getroffen“, schreibt die Redaktion in ihrem Hausblog. Die Berliner Polizei ermittelte drei Verdächtige: Bei den zwei Männern und einer Frau im Alter von 24, 27 und 31 Jahren handele es sich um Aktivisten einer „bekannten Bewegung“, teilte sie mit. Zudem konnte der bei der Aktion benutzte Transporter gefunden werden.

Laut Medienberichten sollen in Berlin auch das ARD-Hauptstadtstudio und das Willy-Brandt-Haus der SPD von den Attacken betroffen sein. Auch in kleineren Städten zogen die rechtsextremen Aktivisten mit ihren Plakaten zu Niederlassungen ihrer politischen Gegner – in Augsburg zum Wahlkreisbüro der Grünen-Politikerin Claudia Roth, in Lüneburg zu einem Parteibüro der Linken.

Der schwäbische Ableger der Bewegung prahlt auf Twitter mit den Taten. Screenshot: Störungsmelder

Nur in Frankfurt am Main waren die Behörden offenbar im Vorfeld auf die Pläne aufmerksam geworden. Dort stellten Polizisten etwa zehn Identitäre, die Plakate an das Verlagshaus der Frankfurter Rundschau kleben wollten, wie die Zeitung berichtet. Jetzt läuft ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Enge Kontakte zur AfD

Die Identitären sind seit 2013 im Fokus des Verfassungsschutzes, seit 2016 werden sie offiziell als rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Dabei gibt es auch Verbindungen zur AfD: Die Partei hat zwar schon 2016 offiziell beschlossen, nicht mit der Identitären Bewegung zusammenzuarbeiten – doch deren Kader sind unter anderem als Mitarbeiter bei Abgeordneten der Partei angestellt und nehmen regelmäßig an gemeinsamen Veranstaltungen teil. Zuletzt kamen die Abgeordneten Roger Beckamp und Hans-Thomas Tillschneider im Haus der Identitären in Halle zusammen, um mit ihnen zu diskutieren, wie die AfD der Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne.

Erst kürzlich hatte die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative sich von ihrem niedersächsischen Landesverband getrennt, weil dieser zu enge Überschneidungen mit Identitären und anderen rechtsextremen Gruppen aufwies. Eine einheitliche Haltung zu der rassistischen Gruppierung hat die Partei bis heute nicht gefunden.

Notorisch gewaltaffin

Immer wieder wurde klar, dass zur Taktik der Identitären auch Gewalt gehört. Viele der Gruppenmitglieder sind in Kampfsportvereinen aktiv und nehmen an Wettkämpfen teil. Bei Kampfsportevents der Neonaziszene im sächsischen Ostritz waren regelmäßig Identitäre anzutreffen.

Vor zwei Wochen sollen Philip Stein, Jörg Dittus und Volker Zierke in Italien an einem Aufmarsch der neofaschistischen Partei CasaPound teilgenommen haben. Die drei Publizisten übernehmen eine Scharnierfunktion zwischen Identitären, Neuer Rechten und AfD. Bei dem Aufmarsch wurde laut Bildmaterial reihenweise der römische Gruß gezeigt – in Italien verboten als Erkennungszeichen der Mussolini-Faschisten, in Deutschland bekannt als Hitlergruß.

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AfD-Mitarbeiter am rechten Rand

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Wegen enger Kontakte zu Rechtsextremen muss die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz fürchten. ZEIT-ONLINE-Recherchen zeigen weitere Verstrickungen in das Milieu.

Von Henrik Merker

Rechtsextremismus: NPD-Jugend, Identitäre und AfD haben personelle Überschneidungen. © Paul Zinken/dpa, Ronny Hartmann/Getty, Alexander Koerner/Getty
NPD-Jugend, Identitäre und AfD haben personelle Überschneidungen. © Paul Zinken/dpa, Ronny Hartmann/Getty, Alexander Koerner/Getty

Ende Januar 2019 gelangte ein geheimes Gutachten an die Öffentlichkeit, verfasst im Auftrag des Bundesverfassungsschutzes. Auf 436 Seiten werden darin verfassungsfeindliche Umtriebe in der AfD beleuchtet: Von Holocaustleugnung und Kontakten hoher Funktionäre in die rechtsextreme Szene ist die Rede. Der Partei droht eine Beobachtung durch den Geheimdienst.

Offiziell grenzt sie sich deshalb von rechtsextremen Gruppen ab. Doch die Zusammenarbeit mit der neu-rechten Identitären Bewegung und früheren Mitgliedern der NPD-Jugend ist ungebrochen. ZEIT ONLINE hat zwei weitere Verbindungen in Brandenburg und Thüringen aufgedeckt.

Erst NPD-Jugend, dann Identitärer, jetzt AfD-Mitarbeiter

Das rechtsextreme Magazin Arcadi zeigt bevorzugt junge Frauen auf dem Titelblatt, begleitet von Überschriften wie „Jung. Schön. Rechts.“ Das Heft ist eine Selbstdarstellungsbühne für Kader der Identitären, es steht ideologisch der Neuen Rechten nahe. Einer der Autoren heißt Paul Meyer. Laut eigenen Angaben schreibt er dort seit März 2018. Wie nun bekannt wurde, hat Meyer allerdings noch einen weiteren Job: Er ist Mitarbeiter in der Pressestelle der Brandenburger AfD-Fraktion, wie deren Sprecher Andreas Horst bestätigt. Seit wann er für die Fraktion arbeitet, will Horst nicht sagen. Sein Stellvertreter teilt mit, man äußere sich generell nicht zu Personalangelegenheiten. Doch Meyer ist nicht irgendwer, er kann für die Partei zum Problem werden.

Seine politische Karriere begann Paul Meyer als Kameramann bei Veranstaltungen der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Am 5. Oktober 2013 filmte er eine JN-Demonstration in Döbeln. 2014 trat der ambitionierte Sportkegler beim Europakongress des Jugendverbands auf, gemeinsam mit dem Neonazi und Burschenschafter Tobias Winter. Beide saßen auf der Bühne und spielten Gitarre.

Karriere in der rechtsextremen Strömung

Auf Instagram und YouTube präsentiert sich der Fraktionsmitarbeiter derzeit als seriöser Barkeeper, mischt vor laufender Kamera Mojitos. Neben den unpolitischen Barvideos verbreitet er rechte und heimattümliche Musik, bebildert mit Illustrationen des Identitären-Grafikers Wolf PMS. Noch im März 2018 sprach Meyer in einem Video des Identitären-Kaders Alexander „Malenki“ Kleine, das bei einem IB-Kongress im oberösterreichischen Aistersheim aufgenommen wurde. Zwei Monate später trat der Musiker im Abendprogramm eines Aktivistentreffens der schwäbischen Identitären auf.

Innerhalb kurzer Zeit machte er Karriere in der rechtsextremen Strömung. Nun ist er bei der AfD für die Medienarbeit zuständig. Wie brisant seine Verbindungen sind, war ihm offenbar bewusst: Er löschte seine Konten in sozialen Netzwerken mit der Abkürzung „IB“ im Namen. Doch ganz abschütteln konnte er die Vergangenheit nicht: Meyers Auftritte für NPD-Jugend und Identitäre sind auf deren Plattformen weiterhin abrufbar.

Meyer ist nicht der Erste, der mit Verbindungen zum Arcadi-Magazin auffällt. Erst vor Kurzem hatte der Brandenburger AfD-Politiker Jean-Pascal Hohm seine Parteitätigkeiten niedergelegt, nachdem das Verfassungsschutzgutachten seine engen Verbindungen zur Identitären Bewegung enthüllt hatte. Hohm soll auch Neonazimusik und Inhalte von Arcadi verbreitet haben.

Auftritt im Deutschlandkostüm

Auch ein anderer AfD-Mann pflegt offenbar beste Verbindungen zur Identitären Bewegung: Konrad Kohlhas aus Thüringen. Seit 2015 sind seine Aktivitäten dokumentiert. Im nordthüringischen Großmehlra war er dabei, als die Rechtsextremen Flugblätter verteilten. Seitdem geht Kohlhas regelmäßig auf Demonstrationen der westthüringischen Identitären, verbringt Abende bei ihren Stammtischen und ist bei Straßenaktionen dabei. Wie bei der Bewegung üblich landen Videos von den Aktionen im Internet und sollen unter rechten Jugendlichen verbreitet werden. In den Filmchen tritt er häufig als einer der Hauptdarsteller auf.

Seinen letzten dokumentierten Auftritt hatte Kohlhas im Dezember 2018. In Gera mimte er ein von der Europäischen Union geknechtetes Deutschland und ließ sich mit Farbe beschmieren. Die Identitären wollten damit gegen den UN-Migrationspakt werben, der wenig später in Marrakesch beschlossen wurde.

Rechtsextremismus: Kohlhas im Dezember 2018 bei einer Identitären-Aktion in Gera © Screenshot Störungsmelder
Kohlhas im Dezember 2018 bei einer Identitären-Aktion in Gera © Screenshot Störungsmelder

Ende Februar 2016 wurde Kohlhas zum stellvertretenden Kreisvorsitzenden der AfD Westthüringen gewählt, teilt Landessprecher Torben Braga mit. Sechs Monate später sei Kohlhas zurückgetreten – seitdem habe er keine Ämter mehr innegehabt oder für die Partei gearbeitet. Doch Anfang Januar 2019 stand Kohlhas wieder für die Partei auf der Bühne. In einem Video vom Neujahrsempfang der AfD Westthüringen begleitet der Gitarrist einen Vortrag über preußische Geschichte.

Die Aktivitäten des umtriebigen Identitären-Kaders Kohlhas seien der AfD nicht bekannt, sagt Sprecher Braga auf Nachfrage und verweist auf die Unvereinbarkeitsliste der Partei. Darin hat die AfD festgelegt, dass ihre Mitglieder nicht gleichzeitig für die Identitären tätig sein dürfen. Laut Braga würden Hinweise auf mögliche Kontakte von den zuständigen Parteigremien „intensiv geprüft“.

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Hass auf der Bühne

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Rechtsrock hat Konjunktur: In Thüringen stiegen im vergangenen Jahr über 70 Neonazikonzerte – weit mehr als in früheren Jahren. Rechtsextreme kaufen Immobilien, um ungestört zu feiern.

Rechtsextremismus: Bei einem Neonazi-Konzert in Apolda zeigen Besucher reihenweise Hitlergrüße
Bei einem Neonazikonzert in Apolda zeigen Besucher reihenweise Hitlergrüße. © Henrik Merker

Rechtsrockkonzerte ziehen immer wieder Hunderte Neonazis an. Auf größeren Festivals kommen sie alle zusammen: Musikliebhaber, Holocaustleugner, Vertreter rechtsextremer Parteien. Im Schatten der Bühne, wo die Hasslieder gesungen werden, vernetzen sich die Rechtsextremen – und spülen Geld in die Taschen der Veranstalter.

Die Veranstaltungen scheinen sich zu lohnen, wie das Beispiel Thüringen belegt: Fanden dort 2014 noch 27 Konzerte statt, waren es 2018 schon mehr als 70. Das geht aus der jährlichen Statistik zu Rechtsrockveranstaltungen hervor, die die Thüringer Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Mobit am Freitag vorgelegt hat.

Häufig steigen Konzerte und Liederabende auf Arealen, die sich im Besitz von Rechtsextremen befinden. Auffällig etwa die Orte Themar, Kloster Veßra, Eisenach, Kirchheim, Erfurt und Guthmannshausen – in ihnen gibt es Immobilien mit rechtsextremen Eigentümern und gefestigte Strukturen. Und dadurch auch die meisten Konzerte.

Treffen auf dem Thingplatz

Vor allem Themar spielt eine wichtige Rolle. Seit mehreren Jahren treffen sich Neonazis und Holocaustleugner an ihrem Thingplatz, einer Art nationalsozialistischem Freilichttheater. Der Liedermacher Axel Schlimper tritt regelmäßig bei den Events auf, vor einem Publikum aus der Holocaustleugner-Szene. Schlimper ist ehemaliger Gebietsleiter der Europäischen Aktion, einer internationalen Holocaustleugner-Vereinigung, die 2017 ihre Auflösung bekannt gab. Hinzu kam 2018 ein Neonazifestival mit 2.200 Teilnehmern. Insgesamt zählte Mobit im abgelaufenen Jahr zwölf Veranstaltungen in Themar – mehr als in jedem anderen Thüringer Ort.

Mobit stützt sich für die Rechtsrockstatistik auf offizielle Zahlen von Behörden, Veröffentlichungen rechtsextremer Musikgruppen und Medienberichte. Nach eigenen Angaben fasst Mobit sämtliche rechten Musikveranstaltungen, also auch Liederabende, unter den Oberbegriff Rechtsrock. Dazu zähle man alle musikalischen Veranstaltungen, durch die „menschenverachtende, antidemokratische Inhalte vermittelt werden“ und die der Ideologievermittlung dienten, schreibt die Beratungsstelle.

Liederabende in der NPD-Zentrale

In Kloster Veßra, wo zehn Konzerte stattfanden, ist vor allem der Szenegasthof Goldener Löwe Anlaufstelle für ewiggestrige Musikfreunde. Betreiber ist der rechtsextreme Versandhändler und Koch Tommy Frenck. Zuletzt versuchte Frenck, eine weitere Immobilie im Ort zu erwerben – doch ein Gericht erklärte den Kauf für ungültig. Auch im Goldenen Löwen trat mehrfach Axel Schlimper auf. Rechtsrockbands wie Die Lunikoff Verschwörung von Ex-Landser-Sänger Michael Regener kamen ebenfalls nach Kloster Veßra. Als im gut 100 Kilometer entfernten Mattstedt im August 2018 ein Großevent der Neonaziszene verhindert wurde, diente der Gasthof als Ausweichort. Über 500 Neonazis reisten an.

In Eisenach dient die NPD-Zentrale als Ort für Liederabende. In Kirchheim nutzten Anhänger des Neonaziverbunds Hammerskins und die Turonen-Kameradschaft den ehemaligen Gasthof Erfurter Kreuz als Veranstaltungsstätte. Insgesamt sechsmal kamen Neonazis zu Rechtsrockkonzerten in das kleine Dorf. Und in Guthmannshausen betreibt der geschichtsrevisionistische Verein Gedächtnisstätte e.V. ein Rittergut als Tagungsstätte, die regelmäßig Neonazis anzieht. Gedenkveranstaltungen werden dort mit Liederabenden kombiniert, bei denen der ehemalige Jugendführer der verbotenen Wiking-Jugend, Frank Rennicke, häufig das Musikprogramm stellt.

Rechtsextremismus: Die Turonen-Kameradschaft beim Neonazikonzert in Apolda
Die Turonen-Kameradschaft beim Neonazikonzert in Apolda 2018 © Henrik Merker

Ausschreitungen bei Polizeikontrolle

Eine Sonderstellung nimmt der Erfurter Club From Hell ein, Mobit nennt ihn seit mehreren Jahren als Veranstaltungsort für rechte und rechtsoffene Konzerte. Vor allem Bands der Musikrichtung National Socialist Black Metal sind dort 2018 mehrfach aufgetreten. Größtenteils finden in dem Club Rock- und Metalkonzerte international anerkannter Bands statt. Damit schafft der Club eine Schnittstelle zu eher unpolitischen Fans härterer Rockmusik. Im vergangenen Jahr verzeichnete Mobit drei Konzerte mit rechtsextremen Szenebands wie Höllensturm oder Sargeist.

Doch nicht immer gehen die Konzerte für die Rechtsextremen reibungslos über die Bühne: Sechs Veranstaltungen verhinderten die Thüringer Behörden im Vorfeld. Ein geplantes Großevent im Ostthüringischen Magdala musste in die Kleinstadt Apolda ausweichen. Dort kam es zu schweren Ausschreitungen, als sich Neonazis Polizeikontrollen widersetzen wollten.

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Rechtsrock mit internationaler Unterstützung

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400 deutsche und spanische Rechtsextreme trafen sich zum Rechtsrockkonzert im sächsischen Ostritz. Hinter der Musikveranstaltung steht ein länderübergreifendes Neonazinetzwerk.

Rechtsrock mit internationaler Unterstützung
Neonazis nahe dem Veranstaltungsort in Sachsen © Henrik Merker

Das sächsische Ostritz ist seit Jahren Austragungsort von Neonazifestivals. Die Nerven von Anwohnerinnen und Anwohnern sind ebenso strapaziert wie die der Polizei. Nur wenige hegen Sympathien für die saufenden Glatzköpfe, weshalb jedes Mal als Konter ein mehrtägiges Friedensfest auf dem Marktplatz der kleinen Stadt organisiert wird. In diesem Jahr hielt Familienministerin Franziska Giffey ein Grußwort vor Hunderten Gästen, bereits am Freitag kam sie dafür vorbei.

Die Neonazis waren da schon mit dem Aufbau eines großen Zelts für 500 Besucher beschäftigt. In Ostritz stieg am Samstag ein Konzert unter dem Titel „Back to the Roots“, das zugleich Auftakt für den Europawahlkampf der NPD sein sollte, wie deren Vorstandsmitglied Thorsten Heise bekannt gab. Heise fungierte als Veranstalter der rechten Sause, rund 400 Besucher kamen.

Angriffe auf Polizei und Journalisten

Der NPD-Ortsverband Wittenberg hatte online Werbung geschaltet, auch die engagierten Musikgruppen riefen zur Teilnahme auf. Die Bremer Band Endstufe kündigte das Konzert als Vernetzungstreffen deutscher und spanischer Neonazis an. Austausch und Politik traten allerdings in den Hintergrund: Da für die angemeldete Versammlung kein Alkoholverbot verhängt wurde, waren innerhalb kurzer Zeit Hunderte Neonazis betrunken. Dabei „zeigte sich einmal mehr, dass die ordnungsgemäße Durchführung einer Versammlung und der Konsum von Alkohol nur schwer zu vereinbaren sind“, kommentierte die sächsische Polizei später.

Bei vergangenen Veranstaltungen auf dem Gelände des Hotels war der Eingang stets mit Bauzäunen und NPD-Transparenten versperrt, damit niemand die Rechtsextremen beobachten konnte. Vor allem Journalistinnen und Journalisten bereitete das Probleme. Diesmal war der Blick frei und Reporter sollten das Gelände einfach betreten können. Das sächsische Versammlungsgesetz sieht die Teilnahme von Medienvertretern an öffentlichen Versammlungen generell vor.

Doch als die wenigen Journalisten vor dem Zelt standen, hinderten Ordner sie am Eintritt. Mehrere Neonazis begannen, Kameralinsen zuzuhalten, und stellten sich ins Blickfeld. 20 hinzugezogene Polizisten sollten den Weg freimachen. Nach wenigen Metern im Zelt kamen Rechtsextreme auf die Journalisten zu, warfen mit Bierbechern, schlugen mehrfach zu und beleidigten Reporter als „Zeckenfotze“.

Internationales Neonazinetzwerk im Hintegrund

Als Veranstalter Heise versuchte, dazwischenzugehen, eskalierte die Situation weiter. Nachdem einem Reporter aus nächster Nähe ein Bierbecher ins Gesicht geschlagen worden war, brach die Polizei die Begehung aus Sicherheitsgründen ab. Als die Gruppe das Zelt verließ, sprühten Neonazis mit einem Feuerlöscher auf die Polizisten, trafen dabei aber auch Heise und andere Rechtsextreme.

Die Alben der Bands, die in Ostritz auftraten, werden von dem deutschen Rechtsrocklabel OPOS-Records vertrieben. Ihre Wurzeln haben sie im internationalen Netzwerk Blood and Honour, das in Deutschland verboten ist, und im Umfeld der Bremer Neonazivereinigung Hammerskins. Zwei der Musikgruppen reisten extra aus Spanien an, darunter die Irreductibles aus Barcelona. In einem Magazin der internationalen Neonaziszene ließen sie sich mit den Worten „Fuck Islam“ zitieren und vertraten die neurechte Verschwörungstheorie einer Migranteninvasion, auf die sich auch der Attentäter von Christchurch berief. In einem Song glorifizieren sie die britische Band Skrewdriver, die zu den Mitgründern von Blood and Honour gehört.

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Konkurrenz in der Szene

Im nordöstlich von Görlitz gelegenen Dorf Mücka fand zur selben Zeit ein weiteres konspiratives Neonazikonzert statt. Dort spielte nach übereinstimmenden Angaben aus Recherchegruppen und Sicherheitskreisen die Band Oidoxie. Das Umfeld der Band hat enge Verbindungen zum NSU und zu anderen rechtsterroristischen Zellen.

Zuletzt trat die Dortmunder Rechtsrockgruppe noch für Thorsten Heise in Ostritz auf, diesmal zog sie rund 200 Neonazis zur Konkurrenzveranstaltung in das eine Stunde entfernte Siedlungsgebiet der sorbischen Minderheit. In letzter Zeit gab es mehrfach Berichte über Gewalttaten gegen Sorben, vermutet wird dabei ein rechtsextremer Hintergrund.

Rechtsrock mit internationaler Unterstützung
Neonazis feiern im sorbischen Mücka. © Henrik Merker

Vor einer Halle, in der das Konzert stattfand, standen um Mitternacht Hunderte Gäste beisammen. Die Polizei beobachtete das Geschehen mit einer kleinen Einheit. Noch bevor die Rechtsextremen abreisten, wurde ein Streifenwagen wieder abgezogen. Der politische Gehalt ähnelte offenbar der Veranstaltung in Ostritz: Auf den Fußwegen am Ortsausgang lagen mehrere betrunkene Skinheads und hatten Schwierigkeiten, wieder aufzustehen.

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NPD verliert Rückhalt in der Szene

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Am Sonnabend sollten nach dem Willen der NPD 800 Neonazis ins Thüringische Eichsfeld kommen. Es kamen 130. Die Stimmung war mies – nicht zuletzt wegen Alkoholverbots, technischer Probleme und mehrerer Anzeigen.

NPD verliert Rückhalt in der Szene
Nur wenige Teilnehmer © Henrik Merker

Der „Eichsfeldtag“ der NPD in Leinefelde wird von Jahr zu Jahr kleiner und unbedeutender. Waren es 2017 noch rund 500 Gäste, kamen in diesem Jahr zum Abschluss des NPD-Europawahlkampfs nur noch 130 Neonazis auf die umzäunte Wiese in Nordthüringen. Selbst 2011, im ersten Jahr des Events, waren es mehr gewesen als in diesem Jahr. Es mag auch daran liegen, dass die Veranstaltungen sich dabei von Jahr zu Jahr gleichen.

Bratwurst, Bier und eine Hüpfburg gehören ebenso zu dem vermeintlichen Familienfest wie die Präsenz von Holocaustleugnern. Die mittlerweile aufgelöste Europäische Aktion war 2017 noch dabei. Jetzt gab es einen Stand, an dem die Freilassung von verurteilten Holocaustleugnern wie Ursula Haverbeck gefordert wurde. Auch die Bands sind immer wieder dieselben.

Rechtsrock und Hitlergruß

Es mag aber auch daran liegen, dass Versammlungsbehörden, Polizei und Zivilgesellschaft das Treffen inzwischen sehr genau beobachten.

Die Szeneband Oidoxie war bereits 2011 dabei und spielte auch dieses Mal wieder. In einem ihrer Songs brüllt die Band „Skinhead“, wobei der Ruf in der Szene seit Jahren gern als „Sieg Heil“ missverstanden wird. Und so zeigte denn ein Teilnehmer dazu zweimal den Hitlergruß – wofür er sofort eine Strafanzeige bekam.

Auf dem Rechtsrock-Event kommt es regelmäßig zu Straftaten. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 39, was die Antwort der Thüringischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage belegt. Dieses Mal waren es aufgrund hoher Auflagen und niedriger Teilnehmerzahl laut Polizei noch drei Verfahren.

In einem Fall wird dabei wegen Nötigung ermittelt: Ein Ordner der Versammlung soll einen Journalisten vom Gelände gedrängt haben. Vorher behaupteten Teilnehmer, der Reporter habe Porträtaufnahmen von einem Kind Thorsten Heises angefertigt.

Einer der mutmaßlichen Angreifer brüstete sich anschließend vor laufender Kamera, er habe eine Anzeige wegen Nötigung erhalten. In einer Rede behauptete der langjährige NPD-Kader Sebastian Schmidtke nach den Attacken, die anwesenden Reporter seien gar nicht echt, sie sollten nach Hause gehen.

Bei einer Begehung des Festivalgeländes unter Polizeischutz versuchten alkoholisierte Besucher, Journalisten anzugreifen. Ordner behinderten Kameraaufnahmen, indem sie sich in den Weg stellten und nach Kameras griffen.

Protest gegen die Neonazis

Im Vorfeld hatte eine Taskforce des thüringischen Landesinnenministeriums empfohlen, die Versammlungsbehörde solle ein komplettes Alkoholverbot verhängen und einen Notschalter installieren, um bei strafrechtlich relevanten Reden das Mikrofon abschalten zu können. Die Verwaltung des Landkreises setzte sich darüber hinweg und ignorierte den Ratschlag. Da die Veranstaltungsfläche aber der Kommune gehörte, konnte diese strengere Auflagen durchsetzen und auch ein absolutes Alkoholverbot verhängen – gegen den Willen des Landkreises.

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Das wurmte die Rechtsextremen so sehr, dass sie eine Demonstration für Bier auf ihren Veranstaltungen anmeldeten. Hinter Thorsten Heise, Udo Voigt und einem silbernen Pkw versammelten sich 32 Teilnehmer mit schwarz-weiß-roten Fahnen. Noch bevor die kleine Gruppe loslaufen konnte, spielte die Lautsprecheranlage verrückt. Nach einer halben Stunde Unterbrechung zog man durch die Straßen der sanierten Plattenbauviertel. Ein wütender Anwohner beschwerte sich lautstark: „Verpisst euch!“ Zurück am Veranstaltungsgelände waren noch 29 Teilnehmer übrig.

Ein Bündnis der Leinefelder Zivilgesellschaft organisiert gegen den „Eichsfeldtag“ der NPD seit Jahren Proteste. In diesem Jahr beteiligten sich 140 Menschen daran. Eine Gruppe betrunkener Rechter versuchte, sich auf dem Veranstaltungsgelände der Protestierenden aufzuhalten und wurde von der Polizei zurückgedrängt.

Andere Neonazis versorgten sich in nahen Supermärkten und einer Kneipe mit Alkohol, an einer Bushaltestelle neben dem Veranstaltungsgelände entstand ein größerer Pfandflaschenhaufen. Von dort pöbelten Rechtsextreme gegen die Protestkundgebung. Polizisten versuchten, sie in Gespräche zu verwickeln und zu beruhigen.

NPD auf dem absteigenden Ast

Nicht nur bei Wahlen verliert die NPD an Einfluss, auch ihre öffentlichen Veranstaltungen ziehen offensichtlich kaum noch Publikum an. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt strengere Behördenauflagen. Veranstalter Thorsten Heise konnte bei seinen Events im sächsischen Ostritz zuletzt Teile des Geländes nicht mehr nutzen, weil die Erlaubnis dafür entzogen wurde. Auch dort sind die Teilnehmerzahlen stark rückläufig.

Seit Alkoholverbote ausgesprochen werden und Journalisten die Veranstaltungen intensiv dokumentieren, ist vielen Teilnehmern die Lust vergangen.

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Kommunalwahl: AfD-Kandidaten am rechten Rand

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In Halle kandidieren Rechtsextreme trotz Abgrenzungsbeschluss für die AfD: eine Identitären-Aktivistin und ein Organisator der rassistischen Montagsdemonstrationen.

Von Henrik Merker

Kommunalwahl in Halle: Kundgebung vor dem Identitären Haus in Halle am 11. Mai 2019 © Henrik Merker
Kundgebung vor dem Identitären Haus in Halle am 11. Mai 2019 © Henrik Merker

Die AfD lässt rechtsextreme Kandidaten im Kommunalwahlkampf antreten. In Brandenburg wurden vom Moses Mendelssohn Zentrum Dutzende Fälle dokumentiert. Auch in Halle an der Saale, der Identitären-Hochburg Sachsen-Anhalts, haben Rechtsextreme womöglich bald Einfluss auf die Kommunalpolitik.

Einer dieser Kandidaten ist Donatus Schmidt. Er will für die AfD ins Stadtparlament einziehen. Am Mittwoch steht Schmidt im gebügelten Anzug auf dem Hallmarkt. Seinen Rucksack nimmt er aus einem Holzverhau, der der AfD als Bühne für ihre Kundgebungen dient. Seit Jahren zieht die Partei mit dem fahrenden Rednerpult von Stadt zu Stadt, einen Bratwurststand im Schlepptau. Vor wenigen Minuten noch hat Schmidt gesprochen. Während seiner Rede versuchten rechtsextreme Aktivisten, Journalisten am Filmen zu hindern, und beschimpften sie als Schaben.

Kommunalwahl in Halle: Donatus Schmidt (AfD) kurz vor seiner Wahlkampf-Rede © Henrik Merker
Donatus Schmidt (AfD) kurz vor seiner Wahlkampf-Rede © Henrik Merker

Bekannt ist Schmidt als einer der Stammredner der Montagsdemonstrationen, seit Jahren ist er dort aktiv. Auf diesen Demonstrationen werden alle zwei Wochen Falschmeldungen verbreitet, rassistische Pamphlete verlesen und Passanten angepöbelt, wenn sie sich über den Lärm beschweren. Einige seiner Zuhörer sind Schmidt nun zur AfD-Kundgebung gefolgt.

Bei der AfD spult Schmidt ein ähnliches Programm ab wie sonst montags. Zu Beginn seiner Rede listet er vermeintliche Zitate von Politikern auf. Die Namen von Grünen-Politikern wie Jürgen Trittin, Joschka Fischer und Claudia Roth fallen. Schmidt unterstellt den Grünen die Aussage: „Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte. Uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land.“ Ein Satz, von dem rechtsextreme Websites behaupten, Jürgen Trittin habe ihn gesagt. Zahlreiche Faktenchecks haben die Behauptungen als falsch entlarvt, das Zitat ist erfunden. Wiederholt wird es trotzdem.

Falsche Statements wie dieses werden im Internet gezielt gestreut. AfD-Politiker bringen sie auf die Straße. Gegen die vormaligen Vize-AfD-Chefs Alexander Gauland und Albrecht Glaser wurden von Jürgen Trittin 2015 einstweilige Verfügungen erwirkt. Auch der Neue-Rechte-Vordenker Götz Kubitschek erhielt wegen der Verbreitung eines falschen Zitates Post vom Gericht.

Schmidt scheint das nicht zu stören. Wütend verbreitet er auch eine zweite erfundene Aussage. Seinem Publikum erzählt er, es gäbe dafür zwei Quellen, „falls man mich der Lüge überführen möchte“. Schmidt nennt das Plenarprotokoll 14/36, Seite 2916 vom Deutschen Bundestag, das Zitat sei auch in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 5. Januar 2005, Seite 6″ abgedruckt. Der 5. Januar 2005 war ein Mittwoch, im Plenarprotokoll steht die behauptete Aussage nicht.

Forderung: „Kompletter Systemwechsel“

Im Jahr 2016 war Schmidt von Polizisten abgeführt worden, nachdem er mit einem Megaphon auf dem Dresdner Zwinger eine Kundgebung abgehalten hatte, bei der Verschwörungstheorien verbreitet worden waren. Nach eigenen Angaben trug er ein Pfefferspray bei sich, das beschlagnahmt wurde. Als dafür der Strafbefehl kam, drehte er ein Video. Darin sagte er: „Dann soll mir irgendjemand kommen – dann werde ich gewaltbereit!“ Wütend drohte Schmidt: „Weil ihr habt’s nicht besser verdient, als dass ihr dann, wenn alles zusammenbricht, dass ihr dann auch die Konsequenzen bis zum letzten Tropfen austrinken könnt.“

Der AfD-Kandidat behauptete in dem Video auch Dinge, die man vorrangig auf Reichsbürger-Websites findet: „Davon abgesehen, dass es keine Beamten mehr gibt seit 2008, wurde ja abgeschafft dieser Status.“ Mittlerweile würden private Firmen via Handelsrecht regieren. Immer wieder forderte Schmidt in seinem Video Polizisten auf, „Druck von unten“ zu machen: „Ihr seid die einzigen verdammt noch mal mit Waffen, ihr seid die einzigen, die etwas dagegen tun können“, brüllte er sich in Rage. Anschließend sprach er von einem „kompletten Systemwechsel“, den die Polizei beginnen müsse. Nach seiner Tirade drohte Schmidt der Polizei: „Wenn ihr nicht aktiv werdet, wird das Volk aktiv werden und dann seid ihr mit dran. Dann geht’s euch genauso an den Kragen.“

Identitäre in der AfD

Der, der so im Video redet, macht nun also Wahlkampf für die AfD. Unter den Teilnehmern der Kundgebung finden sich auch Identitären-Aktivisten aus Halle wie Jan S.. Er folgt stets einem weiteren AfD-Kommunalkandidaten, Thorben Vierkant. Der kandidierte schon früher für einen Platz im Studierendenparlament auf Liste der Campus Alternative. 2018 führte die Wahl zu einem lokalen Skandal, der heutigen AfD-Kommunalkandidatin Hannah-Tabea Rößler gelang damals der Einzug in den Studierendenrat. Beide Kandidaten, Vierkant und Rößler, gaben noch vor Kurzem dem Identitären-Magazin Arcadi ein Interview.

Kommunalwahl in Halle: IB-Kader Jan S. (l.), AfD-Kandidat Thorben Vierkant (2. v. l.) und einige Identitäre verlassen die AfD-Kundgebung. © Henrik Merker
IB-Kader Jan S. (l.), AfD-Kandidat Thorben Vierkant (2. v. l.) und einige Identitäre verlassen die AfD-Kundgebung. © Henrik Merker

Rößler pflegt auch sonst engen Kontakt zu den Identitären. Bilder auf Facebook belegen, dass Rößler bei Veranstaltungen im IB-Haus neben Identitären-Kadern in der ersten Reihe saß.  Das reichte der AfD aber nicht, um sie als Kandidatin auszuschließen.

Recherchen von ZEIT ONLINE haben ergeben, dass Rößler noch enger mit den Identitären vernetzt ist als bisher bekannt. Auszüge aus dem Vereinsregister belegen, dass Rößler als Gründungsmitglied des Flamberg e. V. eingetragen ist. Neben ihr stehen Ex-JN-Aktivist Mario Müller, Melanie Schmitz und vier Identitären-Kader in der Gründungsakte des Vereins. Zum Gründungstreffen am 7. Mai 2018 versammelten sich die Rechtsextremen in der Adam-Kuckhoff-Straße 16, dem Identitären-Haus. Der Akte ist auch zu entnehmen, dass der Verein Flamberg e. V. die Räume im Erdgeschoss des Identitären-Hauses für 1000 Euro monatlich mieten wollte. Bisheriger Mieter ist nach Angaben Müllers der Ein Prozent e. V. aus dem sächsischen Oybin.

Ukrainische Neonazis zu Gast

Sollte der Flamberg-Verein irgendwann aufgelöst werden, soll dessen Vermögen laut Satzung an den Identitäre Bewegung Deutschland e. V. gehen, Daniel Fiß ist als Kontakt vermerkt. Fiß sitzt im Vorstand der deutschen Identitären, die im aktuellen Verfassungsschutzbericht von Sachsen-Anhalt aufgeführt sind. Mario Müller wird darin als führender Kopf namentlich genannt. Müller leitete die Gründungsversammlung des Flamberg-Vereins und ist sein Vorsitzender.

Rößler nahm auch an einer Veranstaltung im Identitären-Haus teil, die unter dem Namen Ukrainischer Abend angekündigt worden war. Dort hielt die Propagandistin des ukrainischen Asow-Regiments Olena Semenyaka einen Vortrag. Semenyaka posierte auf Fotos bereits mit dem verurteilten Mörder und Neonazi Hendrik Möbus, der nach Angaben der Zeitung Haaretz einen Vortrag für Asow hielt. Das Asow-Regiment hat auch Verbindungen zur neonazistischen Kleinstpartei Der III. Weg, mit Kadern der Partei ließ sich Semenyaka ablichten und hielt eine Rede. Für die NPD-Jugend war sie 2018 Vortragsrednerin.

Kommunalwahl in Halle: Olena Semenyaka (v. l.) spricht im IB-Haus, im Publikum Hannah-Tabea Rößler (v. l.). © Screenshot Störungsmelder
Olena Semenyaka (v. l.) spricht im IB-Haus, im Publikum Hannah-Tabea Rößler (v. l.). © Screenshot Störungsmelder

Von der AfD Halle war keine Stellungnahme dazu zu erhalten, wie sie die Nähe ihrer Kandidaten zu Rechtsextremen und Identitären bewertet. Der Mitteldeutschen Zeitung sagte Halles AfD-Vorsitzender Alexander Raue, alle aufgestellten Kandidaten seien Parteimitglieder und würden vorab auf rechtsextreme Verbindungen geprüft.

Offene Zusammenarbeit mit Rechtsextremen

„Perspektivisch wird die IBD versuchen, feste Strukturen zu schaffen“, schreibt der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt in seinem Bericht für 2018. Die Gründung von Vereinen und die Arbeit in Parteien seien dazu Mittel der Wahl. In Halle führen die etablierten Strukturen und das Hausprojekt bereits dazu, dass einzelne Aktivisten offen mit der AfD kooperieren. Bei öffentlichen Versammlungen der Partei sind Identitäre regelmäßig Teilnehmer. Auch zu rassistischen Gruppen wie der Montagsdemonstration nimmt die lokale AfD keine ablehnende Haltung ein.

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Wenn Rechte auf dem Trockenen sitzen

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Hunderte Neonazis trafen sich zum Rechtsrock-Fest Schild und Schwert in Ostritz. Vielen Rechtsextremen ging es deutlich zu langweilig zu – weil die Stadt ihr Bier beschlagnahmt hatte.

Von Henrik Merker

Neonazis sitzen bei Rechtsrock-Konzert auf dem Trockenen
Ein Ordner des Festivals trägt alkoholfreies Bier zu einem Verkaufswagen. © Henrik Merker

Einmal im Jahr gerät das Klosterstädtchen Ostritz an der sächsischen Grenze zu Polen in Aufruhr: Hundertschaften der Polizei rücken aus, Demonstranten versammeln sich – und auf dem Gelände eines Hotels an der Neiße treffen sich Hunderte Neonazis. Das Musikfestival Schild und Schwert, veranstaltet von NPD-Bundesvize Thorsten Heise, hat seinen festen Platz im rechtsextremen Kalender.

Am Freitag und Samstag strömten 700 Besucher in die Stadt – eine kleine Niederlage für die Veranstalter: Im Vorjahr war es rund ein Drittel mehr. Diesmal jedoch hatten die Behörden vorgesorgt und ein striktes Alkoholverbot verhängt. Aus Furcht vor Ausschreitungen ließ die Stadt mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks 4.200 Liter Bier beschlagnahmen – rein rechnerisch sechs Liter pro Teilnehmer.

Anwohner kauften das Bier weg

Statt Feierstimmung machte sich Aggression unter den Besuchern breit. Einer von ihnen trat laut Polizei einen Journalisten, ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde eingeleitet. An beiden Tagen versuchte die Rechtsextreme Angela Schaller, an Adressen von Reportern zu kommen. Sie forderte sie auf, sich am Einlass mit ihren Personalien zu akkreditieren. Bei öffentlichen Versammlungen ist das nicht notwendig – trotzdem fielen manche darauf herein.

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Auf dem Gelände zu sehen gab es angetrunkene Neonazis, die sich im nahen Supermarkt versorgt hatten, solange es dort noch Bier gab. Das meiste hatten allerdings engagierte Bürger aufgekauft, um sich alkoholisierte Rechte vom Hals zu halten. Einer der Besucher trug am Freitag ein T-Shirt mit dem Aufdruck Sturm 18.

Sturm 18 ist der Name einer verbotenen Neonazi-Kameradschaft aus Kassel. In der Kasseler Szene bewegte sich auch der Tatverdächtige im Mordfall Walter Lübcke. Der NSU beging in der Stadt den Mord an Halit Yozgat. Die Neonazis versuchten zu provozieren – einer fragte: „Können wir uns nicht mal über Juden lustig machen?“ Zuvor hetzte er gegen einen körperlich behinderten Kameraden, der einige Meter vor ihm stand.

Peinliche Auftritte

Auf dem Weg zum Gelände mussten die Konzertteilnehmer an einer Kundgebung von Ostritzern und angereisten Gruppen vorbei. Sie hatten eine symbolische Trennwand mit der Aufschrift „Ossis gegen rechts“ aufgebaut. Die passierenden Neonazis pöbelten – aber nur, wenn sie sich in großen Gruppen sicher fühlten. Als ein Demonstrant einem Neonazi ein Flugblatt geben wollte, eskalierte die Situation fast. Polizisten mussten dazwischengehen und rissen den Neonazi weg.

Auf der Bühne spielten währenddessen die Rechtsrockbands. Begeisterungsstürme lösten sie nicht aus, manchen Gästen waren die Auftritte sichtlich peinlich. Bei der polnischen Band Legion Twierdzy Wrocław am Abend forderten die Besucher schon nach dem zweiten Song den Abbruch. Das braune Publikum wollte die bekannteren Gruppen hören.

Der Frontmann der verbotenen Band Landser, Michael Regener, trat dann auch mit der szenebekannten Kombo Lunikoff Verschwörung auf. Auf der Bühne forderte er die Freilassung der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und ließ das Publikum entsprechende Parolen grölen.

Neonazis sitzen bei Rechtsrock-Konzert auf dem Trockenen
Die Band Lunikoff Verschwörung bei ihrem Auftritt © Henrik Merker

Hitlergrüße beim Konzert

Die Band kündigte an, auch indizierte Lieder zu spielen – aber mit geändertem Text. Der Bassist der Band wurde später von Polizisten abgeführt, er hatte das gesamte Konzert über eine Sturmhaube getragen. Ein Polizeisprecher teilte mit, wegen befürchteter Ausschreitungen habe man ihn nicht vorher von der Bühne holen können. Erst bei dem Hauptact, der Hooligan-Band Kategorie C, kamen mehr Leute vor die Bühne. Mit ihnen kamen auch Hitler- und Kühnengrüße.

Die Band kündigte an, es sei ihr letztes Konzert. Weil Kategorie C regelmäßig gewaltverherrlichende Texte verbreitet und das Publikum als gewaltaffin gilt, war die Polizei sogar mit Wasserwerfern angerückt. Zum Einsatz kamen sie nicht.

Im Vergleich zu vergangenen Veranstaltungen war das Ostritz-Festival in diesem Jahr eine ruhige Nummer. Kam es beim ersten Mal 2018 noch zu einer Auseinandersetzung in der Innenstadt, blieben Besucher und Gegner dank eines strikten Konzepts voneinander getrennt. Im Städtchen an der Neiße blieb es weitgehend friedlich – und Hunderte Neonazis durstig.

Der Beitrag Wenn Rechte auf dem Trockenen sitzen erschien zuerst auf Störungsmelder.

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